Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Peter Füssl · 18. Dez 2014 · Musik

„Musikalisch gesehen dünste ich immer noch meine kalifornische Kindheit und berglerische Pubertät aus.“ – Erika Stucky & da Blechhauf’n geigen mit „Wally und die sieben Geiger“ in Nüziders auf

In den diversen Musikszenen von heute laufen jede Menge Duplikate herum, Künstlerinnen und Künstler mit solch geringem Eigenleben, dass sie jederzeit austauschbar und durchaus verwechselbar sind. Nicht so Erika Stucky, ein Original allererster Güte, das zuerst geklont werden müsste, um mit jemandem verwechselt werden zu können. Ob Pop, Rock, Folk, Jazz oder Jodler und Zäuerli – diese schräge Naturgewalt springt mit anarchischer Freude über jegliche Genregrenzen hinweg und balanciert permanent auf einem schmalen Grat zwischen ernsthaften musikalischen Anliegen und Spaß an der gehobenen Blödelei. Ohne Netz und doppelten Boden, versteht sich. Nach einer Vielzahl höchst eigenwilliger Projekte mit den unterschiedlichsten Musikern hat Stucky im nicht minder ungewöhnlichen Bläserseptett „da Blechhauf’n“ wohl Brüder im Geiste gefunden. Jedenfalls hörte man begeisterte Reaktionen auf die Uraufführung von „Wally und die sieben Geier“ beim renommierten Zürcher Theaterspektakel im heurigen Sommer. Peter Füßl führte mit Erika Stucky das folgende Interview.

„Ich glaub, ich ziehe brassplayer an“

„Wally und die sieben Geier“ ist Deine erste Produktion mit dem „Blechhauf’n“. Ein schräges Gipfeltreffen mit Protagonisten aus dem Wallis und dem Burgenland ist ja nichts Alltägliches. Wie habt Ihr Euch denn gefunden?

Über die Kult-Brassband „Mnozil Brass“. Ich bin so gerne in Wien, auch weil es dort so tolle Musiker hat. Ich glaub, ich ziehe brassplayer an. Seit der Jazzschule in Paris sagt man mir: „You sound great with horns - actually you kinda sound like a trombone yourself!“ Das hör ich seit 30 Jahren. Wird wohl was Wahres dran sein.

Ja, Du hast schon oft mit Posaunisten, Tuba-Bläsern oder Alphorn-Virtuosen zusammengearbeitet. Was reizt Dich als Sängerin an der Auseinandersetzung mit Bläsern, und wo liegen Deiner Meinung nach die Stärken des aktuellen Bläserseptetts?

Ich glaub, mir gefällt, dass die Musiker mitsingen/mitschlurfen/intonieren können. Ein G ist ein G auf einem Klavier. Aber! – ein G ist viel lebendiger, sprich unklarer, ja sogar manchmal richtig toll „falsch“ auf einem Blasinstrument. Die können wie die Sänger mitleiern und weinen ...  Und es fasziniert mich völlig, dass sieben solche Hengste einen ganz persönlichen Gruppenklang ansteuern und finden. Es ist doch ein musikalisches wie menschliches Phänomen, eine gemeinsame Chemie als Band, als Freunde zu finden.

„Das ergibt dann halt diesen Heidi-Mickey Mouse-Mix“

 

Euer kurzer Youtube-Mitschnitt startet mit alpinem Flair samt Jodler und endet mit New Orleans-Atmosphäre und Screamin’ Jay Hawkins’ „I Put a Spell On You“. Geht es stilistisch wieder kreuz und quer durch den Gemüsegarten?

Yup. Ich kann nicht anders. Ich glaub, dass man immer bloß das ausdünstet, was man gegessen hat. Musikalisch übersetzt heißt das, ich dünste immer noch meine kalifornische Kindheit und berglerische Pubertät aus. Das ergibt dann halt diesen Heidi-Mickey Mouse-Mix.

Wer sind denn dieses Mal die Opfer Deiner Cover-Versionen, deren Originale nachher im Vergleich mitunter wirklich alt ausschauen?

Ha! Alt nicht. Aber ich glaub, die Led Zeppelin hätten riesig Freude an unserem „Kashmir“, „My Sharona“ von The Knack ist und bleibt ein Bläserknüller und Pink Floyd! Ach, ohne die geht eh gar nix ....

Angesichts des Titels Deiner Produktion ist mir gleich „Die Geierwally“ eingefallen. Gibt es irgendeinen Bezug zu dieser höchst dramatischen, hochalpinen Geschichte, die schon mehrfach verfilmt und literarisch bzw. musikalisch aufbereitet wurde?

Diese Geierwally hat mich mächtig beeindruckt. Ich war als Kind Disney-Figuren gewöhnt, aber Wally ist eigentlich viel „gfürchiger“. Das liegt sicher auch daran, dass der Schwarzweiß-Stummfilm von 1921 kein Zeichentrickfilm ist. Also: Ich bin die Wally - die Jungs sind die Geier. Weil Schneewittli sieben Begleiter hatte, wollte ich auch mindestens so viele. Iuund dann gleich Sieben auf eine Streich ...  die Märli-Assoziationen gehen da erst richtig los!

„Diese ‚Zorro-Masken’ aus Frauenstrümpfen sind komisch und scary zugleich.“

 

Mit dem „Blechhauf’n“ teilst Du auch Deine Liebe zu Maskeraden und Verkleidungen. Wie wichtig sind in der neuen Produktion die theatralischen Elemente und die eingestreuten Filme?

Da sind wir wieder bei den Komixfiguren. Diese „Zorro-Masken“ aus Frauenstrümpfen sind komisch und scary zugleich.  Eben, man dünstet aus, was man als Kind verschlungen hat. In diesem Falle „Zorro“, „Batman“ ... Und das mit den Filmen, krieg ich auch nicht so richtig wieder weg. Ich hab mich so daran gewöhnt, hinter mir diese Landschaften und Ebenen zu haben - ich möcht die selbstgedrehten Welten hinter mir nicht missen.

In Nüziders seid Ihr kurz vor Jahresende zu sehen und zu hören, da würden natürlich schon die musikalischen Pläne der Erika Stucky für 2015 interessieren.

Ich bin grad im Studio mit den Hendrix-Männern Doran/Studer/Tacuma, also gibt’s eine Jimi-Tour. Der Januar startet mit einem Tom Wait-Tribut, dann ist „ping pong“ in der hinterhand, und am 1. August „Alphorn und Jodel“, womöglich auf dem Gletscher.

Mir gehen die Ideen noch nicht aus, muss noch weitertouren – mal schauen, wie lang ich das noch durchziehe. Immerhin bin ich seit 1985 „on the road“ ...

Gotta run! Bis in Nüziders.

Love, Stucky

Erika Stucky & Blechhauf’n
„Wally und die 7 Geier“

Erika Stucky (Stimme, Akkordeon)

Blechhauf'n:
Bernhard Holl (Posaune)
Georg Steiner (Bassposaune)
Alexander Krenn, Christoph Geza Haider Kroiss, Christian Wieder (Trompete, Flügelhorn)
Reinhold Bieber (Posaune, Basstrompete)
Albert Wieder (Helikon)

Sa, 27.12.2014, 20 Uhr
Sonnenbergsaal Nüziders

www.kultpur.at