Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Thomas Kuschny · 15. Nov 2015 · Musik

„Bringing beauty to abstraction“ - Das Kris Davis Quintett am Spielboden

„Avantgarde“, so hieß das Fach im Plattenladen früher, in dem Tonträger wie „Capricorn Climber“ von Kris Davis zu finden gewesen wären. Freilich, um in den meisten Fällen dort längere Zeit zu verweilen, was natürlich mit ein Grund ist, dass es dieses Fach heute nicht mehr gibt. Wenn es denn den Laden überhaupt noch gibt. Auch die Stilbezeichnung hat ihren Sinn einbüßen müssen, denn anscheinend gibt es keine Räume mehr, in die man voranschreiten könnte. Mittlerweile ist gar „Post-Avantgarde“ nicht mehr nur ein antagonistischer Kalauer, aber letztlich wird die Platte nun unter „Jazz“ einsortiert sein. Oder unter „Kicks“, der neuen Erweiterung der „JAZZ&“-Reihe am Spielboden, in der Kris Davis gestern konzertierte.

Das Quintett, das die kanadische Pianistin zusammengestellt hat, kann man getrost als Idealbesetzung bezeichnen. Mit einer sympathisch unaufgeregten Bühnenpräsenz ohne jede Egozentrik, dabei aber hochkonzentriert, wird hier zu Werke gegangen. Wenig verwunderlich verbindet sie mit allen Musikern eine langjährige Zusammenarbeit in verschiedensten Projekten, es schadet auch überhaupt nicht, dass der angekündigte auch in Rock-Kreisen (Mr.Bungle!) bekannte Bassist Trevor Dunn nicht dabei ist, denn Eivind Opsvik ist hier wahrscheinlich die bessere Wahl. Ein fragil lyrisches Solo mit reichlich Flageolett-Einsatz wird nämlich noch lange in Erinnerung bleiben.

Mat Maneri, Sohn des Saxofonisten Joe Maneri, verstärkt seine Bratsche durch einen Gitarren-Amp, der daraus resultierende harsche Ton fügt sich bestens ins Ensemble ein. Die wie alle in der New Yorker Szene bestens verankerte Ingrid Laubrock überzeugt durch einen warmen und wenn nötig auch dringlichen Ton am Tenorsaxofon und Drummer Tom Rainey ist ohnehin einer, der mit Dynamik und Spannung souverän umgeht, kein Schlag zu viel, keiner zu wenig. Wobei man insbesondere auch bei Schlagzeugern ein „zu wenig“ höchst selten attestieren kann.

Leaderin Kris Davis erweitert das Klangspektrum ihres Flügels durch Präparierung mit allerhand Material, dieser klingt dann mal perkussiv hämmernd, mal wie ein Cembalo, mal beides zugleich. Nie wirkt das wie ein bloßer Gimmick, ist immer fundamentaler Bestandteil der Komposition. Der größere Teil der Stücke ist sehr komplex, durch reichlich synkopierte Akzente der Rhythmusgruppe werden die Metren unkenntlich, einzig der Puls ist immer spürbar. Große Melodiebögen über sich stetig verändernde Ostinati erzeugen Ruhe und Sog zugleich. Ein typisch „jazziges“ Klangbild ergibt das eher selten, am ehesten beim Saxofon und das auch deshalb, weil das Instrument halt eher dort verortet wird. Davis hat auch klassische Komposition studiert, ein unüberhörbarer Einfluss, manches zeigt Verwandschaft zur Minimal Music oder zu Eric Satie.

Alles in allem ein famoses Konzert, vielleicht dann doch noch „Post-Avantgarde“, sozusagen definiert durch den souveränen Umgang mit schon gut abgehangenen Materialien.

Das Zitat aus der Titelzeile stammt übrigens aus einem Artikel der „Village Voice“ über Kris Davis. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

 

Nächstes Konzert der Reihe:
Christian Muthspiel „Für und mit Ernst“
Do,19.11., 20.30 Uhr
Spielboden Dornbirn