Uraufführung des Stückes „Stromberger oder Bilder von allem“ im Vorarlberger Landestheater (Foto: Anja Köhler)
Peter Ionian · 17. Sep 2017 · Musik

10 Jahre Soundsnoise Festival - Alles, nur nicht glattgebügelt

Seit zehn Jahren bereits bedient das Soundsnoise Festival am Dornbirner Spielboden den eigenen Anspruch „superindependent“ und damit auch eine eigene kleine Szene. „Ten fu**ing years“ bewegt man sich vom Mainstream weiter entfernt als die Sonne vom Mond. Originell, avantgardistisch, experimentell – alles, nur nicht glattgebügelt waren die Künstlerinnen und Künstler, die dieses Wochenende beim Soundsnoise Festival wieder die Hörgewohnheiten auf die Probe stellten.

Eröffnet haben das Festival Pettersson aus Vorarlberg in der Kantine und gleich schon mal ordentlich vorgelegt. Mit extremen Kontrasten zwischen sphärischen Harmoniebädern und kraftvollen Schreiereien seien sie live ein echter Hinhörer gewesen. Ihr Sound ist von Screamo, Hardcore und Postrock inspiriert und das 2016 erschienenen Debütalbum „Rift And Seam“ lässt sich auch im Netz nachhören.


Instrumentalritual


Danach setzten Camera aus Berlin einen instrumentalen Meilenstein. Am Schlagzeug stehend verprügelte Drummer Michael sein Set wie in einem Beschwörungsritual. Dazu wurden feinsinnige bis fette Gitarrensounds und Synthesizer Töne, die an Commodore 64 Games erinnerten, gespielt. Die Band wird oft mit Seventies Krautrock wie Neu! verglichen. Ihr treibender Sound steigerte sich immer wieder bis zur Extase. Die fehlenden Stimmen wurden teilweise durch das Geschwätz in den vorderen Reihen ersetzt, leider. Camera spielen in Berlin auch gern mal in kleinen Toiletten oder um drei Uhr morgens in irgendwelchen U-Bahn-Gängen.


Mächtige Dreigesänge


Zeal & Ardor aus der Schweiz kamen dann mit etwas Verspätung im Saal auf die Bühne. Der charakteristische Schweiz-Amerikanische Sänger Manuel Gagneux hatte alleine schon eine starke Bühnenpräsenz. Von zwei weiteren Sängern flankiert waren die drei Gesänge jedoch eine gewaltige Macht. Dazu Avantgarde Metal mit viel Gefühl und voller Power, afroamerikanische Einflüsse, Blues und Work Songs und immer wieder wohlüberlegte Dreigesänge. Feldarbeit mit härtesten Gitarren. Sie starteten extrem stark, hatten eine kurze Durststrecke in der Mitte des Programms, um dann wieder mit herausragenden Songs abzuschließen.


Für immer Punk


Die Goldenen Zitronen aus Hamburg waren bestimmt der Höhepunkt des Soundsnoise Festivals. Wahrscheinlich ein Geschenk an sich selbst zum Zehnjährigen. Und wahrscheinlich auch der einzige Name im Line-Up, den man vorher schon kannte. Die 1984 gegründeten Fun-Punkrock Legenden sind bekannt für chaotische Auftritte und was sie auf die Bühne brachten war Volkstheater. Neurotisch, bemüht noisy und nach wie vor total politisch. Speziell wenn sie das Publikum daran erinnerten, dass diese Gesichter, wenn man den Wahlumfragen glauben schenken könne, im Begriff seien, einen großen Fehler zu machen. Oder sie lieber als Turnschuh übers Mittelmeer verfrachtet werden, statt als Flüchtling. Dazu gab es Instrumentenrochaden, die schier unglaublich waren, wenn Linkshändergitarren einfach rechts gespielt werden oder umgekehrt der Rechtshänderbass gedreht wird. Sie waren auch hier ein Symbol der Unabhängigkeit, superindependent eben. Draußen in der Kantine legten Erich und Erich ihren Wahnsinn mittels Platten auf und nutzten die Nadel durchaus auch mal für Noise-Einlagen.


Krawallkunst


Der zweite Tag begann mit Gewalt aus Deutschland. Laut und radikal, schlicht und doch intensiv starteten sie in der Kantine. The Hirsch Effekt aus Deutschland war dann im Saal schon ein echter Höhepunkt. Sie könnte man durchaus auch schon kennen, hatten sie doch vor vier Jahren einen Höhenflug. Die drei Musiker aus Hannover werden gern als Artcoreband bezeichnet, selbst nennt die Band ihren hibbeligen IndieElectro-Post-Punk-Metal-Mix „Krawallkunst“. Live eine Macht. Laut, verschroben und skurril. Oft schwer mitzuzählen und nachzuvollziehen. Teilweise derartig abrupt, als ob sie gerade gegen eine Wand gefahren wären. Und mit Vollgas hindurch. Die Präsenz unterstrich die Kraft noch, sprangen sie herum wie Spitzensportler. Ach ja, und es gibt ein neues Album „Eskapist“. Es ist anzunehmen, dass wir von ihnen noch hören werden.


Tanzbares Finale


Bad Breeding aus dem United Kingdom werden als best new Punk Band in Britain bezeichnet. Sie überschreiten immer wieder Grenzen. Zum Beispiel die zum Publikumsraum. Es war so wenig los, dass der Sänger mehrere Nummern von unten herauf sang. Sie knallten den paar Gästen einen zornigen Mix aus Psychofunk, Noise und Rock vor den Latz. Hinterließen aber das Gefühl, dass sie gar keinen Bock hatten vor dem recht leeren Haus überhaupt zu spielen. Sekuoia aus Dänemark setzten dann einen angenehmen Schlusspunkt mit tanzbaren Ambient-Nebelschwaden, Dubstep-Brummen, Indie-Hall-Gitarren und melancholischen Vocal-Samples. Die Stimmung im Saal erhellte sich wieder und es wurde sogar getanzt. Das ging soweit, dass die, die noch da waren sogar eine Zugabe forderten. Leider aber umsonst.

Das Format Soundsnoise wurde vor 10 Jahren begründet. Aber im Haus stellte sich die berechtigte Frage, ob in Vorarlberg überhaupt so viel Szene bestehe, um das so groß aufzuziehen. Es ist anzunehmen, dass das Festival in Zukunft auf einen Tag konzentriert wird. Vielleicht dafür zwei mal im Jahr. Wir werden sehen.