Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Gunnar Landsgesell · 14. Aug 2014 ·

Lucy

Was könnte man mit einer Gehirnleistung von 100 Prozent so alles machen? Luc Besson zeigt es in "Lucy": Eine Drogenbande eliminieren, die Zeit anhalten und so richtig high sein. Scarlett Johansson arbeitet sich als unfreiwilliges Drogen-Genie durch Zeit und Raum.

Mit Paradoxien muss man in diesem Film leben. Morgan Freeman bedauert als Neurologe, dass der Mensch nur zehn Prozent seiner zerebralen Fähigkeiten nutzt. Nach dem Motto, mehr Hirneinsatz wäre schön. Als Scarlett Johansson aber zur Superwoman mutiert, vermag sie plötzlich nur durch Gedankenkraft die Maschinengewehre ihrer Gegner durch die Luft schleudern,  oder auch mal die Zeit anzuhalten. Ab diesem Zeitpunkt ist man als Zuseher ganz froh, dass man nicht mehr als zehn Prozent Gehirnleistung zur Verfügung hat. Der gehäufte Unsinn, den Luc Besson („Das fünfte Element“) hier als Geschichte präsentiert, wäre sonst natürlich kaum zu ertragen. Mit deaktivierten Hirnzellen könnte man sich aber vielleicht dem Rausch des Visuellen hingeben, quasi einen Drogenfilm der aufgeräumten Sorte betrachten.

100 Prozent Körpereinsatz

Darin gerät Lucy (Johansson) in Taipeh durch Zufall in die mörderischen Geschäfte einer grotesk-brutalen Drogenbande. Man schlitzt ihr den Bauch ein bisschen auf und stopft eine Packung blauer Kügelchen hinein. Als die unfreiwillige Drogenkurierin in irgendeinem Verlies in Europa wieder zu sich kommt, platzt die Packung durch Tritte in ihren Magen auf. Falls Lucy durch diese gewaltige Überdosis nicht stirbt und die weitere Handlung nicht wie Jim Jarmusch’s „Dead Man“ als delirierender fiebernder Traum zu verstehen ist, dann rauscht es fortan ganz schön in den Gehirnzellen dieser Frau. Was die 100 Prozent Gehirnschmalz anrichten, können wir uns natürlich nicht ausmalen, Besson versucht dennoch, es uns zu zeigen. Ein Film über mathematisches Genie oder Quantenphysik ist „Lucy“ aber nicht. Es geht um Action in Form wohlbekannter Faustduelle, um rasantes Autofahren in Paris, um schmelzende, durchbrutzelnde Computer, die unter der Intelligenzlast der Protagonistin kapitulieren. Es geht um den totalen Einsatz des – weiblichen – Körpers, in dem schließlich ein ganzes Universum Platz haben muss. Damit ist Johansson eine weitere Superheldin aus der Besson’schen Reihe, mit den gleichen männlichen Attributen ausgestattet und von der gleichen narrativen Esoterik umweht. „Lucy“ ist als Euro-Blockbuster angelegt, in der Art, wie man in Frankreich Hollywood gerne Konkurrenz machen will. Auch wenn Besson sich zu Beginn des Films um Extravaganz bemüht, als er mehrmals die Bilder von Geparden, Affen u.a. in die Handlung montiert, ist dieser Film keinesfalls experimentell. Es ist eine Rachegeschichte, durch diverse optische Einfälle kunstvoll angereichert. Die Referenz für Johanssons Lucy ist übrigens ein Affe: die berühmte Affenfrau, deren Skelett Forscher in Äthiopien fanden und Lucy benannten. Ihr Gehirnvolumen hat das eines Schimpansen heute.