Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Ingrid Bertel · 19. Nov 2017 · Literatur

„Wald, hau dich über die Häuser!“ - Der Autor Christian Futscher hat einen neuen Erzählband geschrieben

In seinem neuen Erzählband versammelt Christian Futscher Elogen auf die Stadt, Lesefrüchte eines Büchernarren und Eindrücke eines gewitzten Flaneurs.

Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein Buchcover perfekt zum Inhalt passt. Aber in diesem Fall ist es so. Inge Mayer zeichnet eine kindlich bunte Stadtlandschaft und lässt aus zart grauem Himmel einen Nagelzwicker herabsinken. Der gehört Walter Chmelar, den seine Freunde WC nennen. Eine drückende Last, wie er Peter Cerny erzählt. Der wird PC gerufen und trägt es mit Fassung. „Er sei immer froh gewesen, nicht Pezi genannt zu werden.“ Solche Gespräche gibt es nur in der Stadt, und deshalb weiß Christian Futscher: „Wer einsam ist in der großen Stadt, der muss ein schöner Trottel sein.“

Das tut wohl, kriegt man doch ständig reingeballert, wie viel zwischenmenschliche Wärme es doch auf dem Land gäbe. Das ist definitiv gelogen. Entspannt sitzt Christian Futscher im Zug von Wien nach Feldkirch und notiert: „Holzhof Tinzl, Ötztal – da werde ich nie arbeiten!“

Bei den Menschen sein

Egal ob Großstadt oder Bergdorf, das Rechtsaußen-Credo lautet verlässlich, man müsse „bei den Menschen“ sein. Wie da geredet wird, zeichnet Christian Futscher mit Akribie auf - von „die wollen uns unterwandern, damit wir alle zu ihrem komischen Gott beten“ bis zu „das ganze Plastik im Meer, das ist doch auch von denen …“ Wo so argumentiert wird, ist jede Form von Kultur verhasst, weil sie zäh gegen den Verlust zivilisatorischer Errungenschaften steht. Zumeist machtlos, immer aber widerständig und oft genug an der Armutsgrenze. „Hierbei handelt es sich um einen Bettelbrief zu dessen Abfassung ich mich leider gezwungen sehe, weil ich finanziell aus dem letzten Loch pfeife, was ganz jämmerlich klingt, das können Sie mir glauben.“

Wenn schon kaum einer von Literatur leben kann, könnte man doch andocken, zum Beispiel an das Renommee des Pulitzer Preises. Einen „Putlitzer Preis“ erfindet Futscher flugs, es gibt 150 Euro zu gewinnen, außerdem besteht die günstige Möglichkeit einer Verwechslung. Alternative: sich angesichts anhaltender Erfolgslosigkeit auf den inneren Adel zu besinnen und etwa Albert Ehrenstein zu zitieren: „Früher träumte ich vom Ruhm. Er wurde mir nicht zugestellt. Und was blieb, waren Sarkasmen gegen die Glücklicheren.“

Zu denen zählt beispielsweise Michael Köhlmeier. Als Christian Futscher im Zug zwischen Feldkirch und Götzis sitzt und zum dritten Mal Köhlmeiers „Idylle mit ertrinkendem Hund“ liest, steigt der Bewunderte ein und – Flucht in den Sarkasmus - meint der andere: „Hätte ich vor 30 Jahren ausgeschlossen, dass er mich heute nicht kennt, denn damals sagte ich oft: „Der wird mich noch kennenlernen! – So kann man sich täuschen!“

Distanz wahren

Vielleicht hätte er sich vor 30 Jahren ja an ein anderes Vorbild halten sollen als den Feldkircher Dichter Eugen Andergassen. „… das war im Jahre Schnee, dazu wieder Andergassen: „In dem schneeverwehten Boot/ Küsst die Einsamkeit den Tod.“ So was war für mich damals der leuchtende Gipfel der Dichtkunst. Ich schrieb zu der Zeit mit Herzblut in schlaflosen Nächten Zeilen wie diese: „Aus den Poren meiner Sehnsucht/ quillt der Schmerz.“ – Auweia.“
Danach fand Futscher andere Dichter und seinen eigenen Sprachwitz. Der ist’s, was uns LeserInnen erfreut. Denn Futscher zu lesen, macht umgehend gesund, fröhlich und springlebendig. Selbst wenn das Sujet recht drastisch ist: „Der Bösewicht schießt seiner Frau, die ein Auge auf einen anderen Mann geworfen hat, eine Kugel in den Bauch. Wahre Liebe geht durch den Magen, sagt er. Die Frau lacht kurz auf (spöttisch) und sagt: Deine Witze waren schon immer zum Kotzen!“

Distanz ist das Wesen des Witzes. Und Futscher richtet den distanzierenden Blick gern auch auf das eigene Wünschen, die Sehnsüchte und Ängste, die er vermutlich mit jedem teilt. Er pflanzt ein Bäumchen im Hinterhof (denn er lebt ja in der Großstadt). „Ich fürchte, wenn das Bäumchen ein Baum sein wird, werde ich ein Männchen sein – ein altes, buckliges Männchen, noch sentimentaler als heute, verschroben und schrullig, mit wenig Geld in der Tasche …“ Aber immerhin in der Großstadt! „Die Stadt ist ein sprudelnder Jungbrunnen, das Land ausgetrocknete Blasmusik – ha!“

  

Christian Futscher, Wer einsam ist in der großen Stadt, Hardcover, Czernin Verlag Wien, ISBN 978-3-7076-0614-0, 168 Seiten, € 19,90,-