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Peter Niedermair · 01. Okt 2015 · Literatur

Plastian, der kleine Fisch - Kinderbuch von Nicole Intemann

Ein wirklich gutes Kinderbuch muss den Spirit und die Erwartungen einer größeren Kinder-Leserschaft treffen und diese nicht nur informieren wollen. Heute ist es für Kinder nicht leicht, wirklich etwas zu erforschen. Feriencamps und Abenteuerspielplätze machen das Explorieren zu ihrer Agenda, und solange die Kinder schöne bunte T-Shirts tragen und nicht aus den Augen ihrer pädagogischen Aufsichten verschwinden, kann da bis zur Jause um halb elf weiter auch nichts schiefgehen. Alles zu Erforschende ist dermaßen vorbeforscht, dass man die Ergebnisse hernach sorgfältig ins Forschungsbuch eintragen kann. Von solchen pädagogisch zugespitzten Forschervorstellungen unterscheidet sich das gerade erst erschienene Kinderbuch von Nicole Intemann mit Illustrationen von Julia Patschorke ganz grundsätzlich. „Plastian, der kleine Fisch“ stellt das große archaische Thema der Reise, die Motivation und Lust, Neues zu entdecken an den Anfang.

Klare Texte und magische Bilder


Lillian und Moritz begeben sich auf eine abenteuerliche Reise an einen geheimnisvollen Ort, von dem ihnen ihre Uroma Frieda erzählt hat. Sie bauen sich ein Boot und machen sich auf den Weg über das Meer. Doch ihr selbstgebauter Motor spuckt viele Plastikfuzeln aus. Plastian, der kleine Fisch, entdeckt die bunte Plastikspur und schluckt eine ganze Menge von diesen Stückchen. Es dauert nicht lange, da bekommt der kleine Fisch starkes Bauchweh. Doch Lillian und Moritz haben einen rettenden Einfall. Sie tauchen tiefer und tiefer in die bereiste Welt ein und landen in einer bezaubernden Parallelwelt - im Urwald. Patschorkes Bilder sind leise und traumhaft magisch, wir finden uns wie auf Bildern von Paul Gaugin und Jean Jacques Rousseau und dessen botanischen Zeichenblöcken. Sie erinnern mich an einen Urwaldboden, je genauer man hinschaut, desto mehr beginnt dieser zu vibrieren. Weder Bilder noch der sprachlich für ein Lesealter von ca 4 bis 10 Jahren geschriebene Text haben etwas Irritierendes, Abschreckendes, es ist wie in einem Garten bei William Morris, gebrochen von der wenig idyllischen Spielplatz Welt einer nicht näher bezeichneten Stadt am Meer.

Plastik ist überall

2013 hat Nicole Intemann einige Zeitungsberichte über Plastik im Meer und dessen Auswirkungen auf die ozeanische Lebenswelt gelesen, worauf sie dieses Thema näher recherchierte. Diese Bilder und Berichte haben ihr zu denken gegeben. Man fragt sich ja ständig, wie es kommt, dass man trotz bemüht sorgfältigem Umgang mit Plastikmüll die gelben Säcke vierzehntägig ständig prall gefüllt an die Straße stellt. So werden Plastikansammlungen im Meer proportional immer größer und eine Lösung dieses Problems liegt nach aktueller Forschungslage, vgl. WFO Waste Free Oceans Newsletter, Volume 8, September 2015, Seite 2 „WFO Conference in the European Parliament: Guardians of the Sea“ auf: http://www.wastefreeoceans.eu/ in weiter Ferne. Nicole Intemann hat sich entschlossen, ein Bilderbuch zu schreiben, das Kinder zu einem achtsamen Umgang mit unserer Natur anregen soll. Mit dem Erlös aus dem Verkauf dieses Buches wird die Autorin Projekte zur Reinigung der Ozeane unterstützen.

Eine ideale Kooperation


Nicole Intemann ist Volksschullehrerin in Dornbirn Markt, verheiratet, ihre Familie hat drei Kinder im Kinderbuch-Alter. Der glückliche Zufall will es, dass an ihrer Schule auch Gerda Ramoser arbeitet, die die Autorin mit ihrem Mann, Sigi Ramoser, in Kontakt bringt. Bei Saegen4 vertraut der Chef seinem Mediendesign Lehrling, Sophia Ellensohn, das Buchprojekt an, das soeben im oekom Verlag München erschienen ist. Dieser hat sich auf einschlägige Fachliteratur im Bereich von Umweltthemen, wie Klimaschutz, nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen oder Schutz der Artenvielfalt, einen exzellenten Namen gemacht, verlegte bis dato keine Kinderbücher, war jedoch von den Entwürfen der Autorin begeistert und ließ sie selbstständig machen. Die Autorin fand sich mit der in München lebenden Illustratorin Julia Patschorke zusammen, deren Zeichnungen ihr aus einer Reihe von angefragten Illustrationen am besten gefallen haben. Die Zusammenarbeit war sehr konstruktiv und unkompliziert. Beachtet man das kreative Potential der beiden, Nicole Intemann und Julia Patschorke, lässt es sich gut auf die nächste Publikation freuen. Inzwischen liegen auf den Screens bei Saegenvier bereits die Übersetzungen von „Plastian, der kleine Fisch“, ins Französische (geplant für Oktober 2015), Niederländische und Englische. Sobald WFO – Waste Free Oceans die Sponsoren gefunden hat, werden die nächsten Ausgaben umgesetzt.

Wenn Kinder an den Grenzen ihrer Vorstellungen forschen

Zum Glück gibt es „Plastian, der kleine Fisch“. Wenn man sich wieder intensiv mit Kinderbüchern beschäftigt, zu Hause die alten vor dreißig, vierzig Jahren und die aus der eigenen Kindheit aus den Kisten holt und mit den Enkeln in den Buchläden herumstöbert, wo man neben dem riesig ausgebreiteten zusätzlichen Angebot an Zizifee-Eyecatchern viele Harmoniebüchlein à la „Der kleine Bär und seine Zahnbürste“ findet ... doch es gibt auch andere. Mehr und mehr. Besonders im anglikanischen Sprachbereich. Sprachlich unverkitscht und verständlich, inhaltlich anspruchsvoll und kritisch differenziert, linguistisch dem kindlichen Sprachdenken adäquat, mit Bildern, die das Momentum des kindgemäßen Wahrnehmens begreifen. Und, es scheint fast so, als kämen wir wieder in eine Zeit zurück, in der die handelnden Protagonisten in Bilderbüchern die Freiheit haben, an den Grenzen ihrer Vorstellungen zu forschen, ohne dass sie von den Ängsten der protektiven Erwachsenen gehindert werden. Man wünscht dem Buch viele interessierte LeserInnen, der Autorin viele Leseauftritte und ZuhörerInnen. Unter n.intemann@cable.vol.at kann man Lese-Termine vereinbaren.

 

Nicole Intemann: Plastian, der kleine Fisch. Mit Bildern von Julia Patschorke. Oekom Verlag. Gesellschaft für ökologische Kommunikation mbH, München 2015. ISBN 978-3-86581-756-3, Euro 13,40