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Peter Niedermair · 01. Feb 2016 · Literatur

Buchpräsentation und Ausstellung im Dornbirner Stadtmuseum - Bianca Tschaikners Reiseillustrationen „SAVARI“

Am 11. Februar präsentiert Bianca Tschaikner im Dornbirner Stadtmuseum ihre bei Bucher Hohenems erscheinenden Reiseillustrationen „SAVARI. An Illustrated Journey Through Iran & India“. Die im Buch versammelten Reiseskizzen werden am selben Ort in einer Ausstellung gezeigt.

„Investing into memories“

Vom Grafischen her gesehen ist Bianca Tschaikners Stil der Ligne claire zuzuordnen. Erfinder und einer der Hauptprotagonisten dieses Comic-Stils war Herge. Wobei ihr Buch natürlich kein Comic-Buch ist, weil das sequentielle Element fehlt. Vielmehr ist es ein im Stil des Visual Storytelling illustriertes Tagebuch, in dem sie die vorgefundene Alltagswelt auf ihrer Reise durch Indien und den Iran poetisch und persönlich assoziativ spiegelt. Ihre Bildsprache passt auch gut zu den Orten, an denen sie vorzugsweise unterwegs ist. So wie sie in ihren südamerikanischen Reiseskizzen den Stil und die Farbigkeit einer Frida Kahlo reflektiert, so verwendet sie in diesem Reisetagebuch arabische Ornamente - ohne dabei dekorativ oder kitschig zu werden. Trotz des harten s/w bleibt der Strich immer feminin geprägt. Sehr spannend auch die Typografie: Sie wechselt nicht nur die Sprachen, Englisch, Französisch, Deutsch, sondern passt vor allem die „Stimmung“ der Schrift exakt dem Inhalt an. Wie in gesprochener Sprache werden durch diese gänzlich in Handlettering erstellten Sprachbilder Rhythmus, Lautstärke, Intensität, Zartheit, Fremdes und Vertrautes, Reales und Traumhaftes spürbar. Die Illustrationen verschmelzen dabei mit der Typografie zu einer grandiosen Einheit. Das Reisetagebuch der Künstlerin, in dem sie offensichtlich keine Korrekturen vornimmt, also keine „Fehler“ macht, wird im Kontrast bearbeitet, die Papierfarbe wird nicht mitgedruckt. Tag für Tag Seiten eines Buches ohne Qualitätsschwankungen und „Irrläufer“ zu füllen, ist sehr schwierig und zeugt von großer Routine und Konzentration. Die Illustration liegt der Literatur viel näher als der Malerei, nur dass sie bildlich erscheint und man selbst an eine Geschichte gebunden ist, an eine Geschichte, die sich dem Betrachter nicht unbedingt auf den ersten Blick erschließt.

„Don’t fall asleep in paradise“


„Savari“ leitet sich ursprünglich wie „Safari“ aus dem Arabischen, dem Persischen ab, asva سفر  ‚safar‘ bedeutet so viel wie Reise. Tschaikners Reise findet dem persischen Kalender nach im Jahr 1393 statt, sie war von Oktober 2014 bis Februar 2015 unterwegs. Für das Reisetagebuch gibt es keinen direkt impliziten Leser, vielmehr sind die täglichen Entries ein Amalgam aus persönlichen Erfahrungen im Reisealltag, kulturellen Hintergründen, szenischen Begegnungen, im Kern ein ganz persönliches Reisetagebuch. „Savari“ ist kein Reiseführer, historisch, soziografisch, politisch, kulturell mit Hinweisen auf Must-Sees und NoGo‘s. Englisch ist die Reise-Sprache, wenn sie unterwegs ist, sobald sie aus dem Land hier hinausgeht, schaltet sie auf Englisch um. Sie redet Englisch, denkt auf Englisch, fühlt sich dadurch sprachlich zwar etwas eingeschränkt, auch weil es nicht ihre elterlich sozialisierte Sprache ist. Deshalb muss sie sich mehr fokussieren, bewusster auswählen, genauer hin- und hineinhören in die Lexik; es gibt offensichtlich eine Parallelhaltung, eine mental attitude, wie beim Illustrieren, die sie dazu anhält, genauer hinzuschauen. Die nicht bewusst geplanten Illustrationen fließen wie die Schrift, in einer Art Stream of Consciousness, nach den Bewegungen der Gedanken, wie der Flug der Wolken, der Klang der Wörter, die Bedeutungen, die Geräusche des Stiftes auf dem Papier, alles kommt synthetisch in einen gedanklichen Fluss.

Reiseliteratur von Frauen


Auf den Seiten von „Savari“ tauchen wiederholt leitmotivische Elemente, netzartige Teile, arabeskenhaft, die eher zurückhaltend, meist illustrativ auf hintergründig, organisch entstanden sind, Konstellationen mit ornamentalem Charakter, Szenen, wie die Sterne, die ein sich meist wiederholendes, oft abstraktes oder abstrahiertes Muster mit für sich genommen symbolischer Funktion. Auf der thematisch-inhaltlichen Ebene bewegt sich die Künstlerin in einer Art Grenzgängertum zwischen verschiedenen Kunstformen, durch eine Hybridform, denn der Begriff des Sammelsuriums lässt alles mit einfließen, was die Reisende für mitteilenswert erachtet. Damit bleiben noch zwei Bereiche, einmal die Frage nach dem Bild des Orients und die Reiseliteratur von Frauen. Zum Thema ‚reisende Frauen‘ hat die Künstlerin bereits im Falter geschrieben. Sie bringt es auf den Punkt: Es ist in jedem Land möglich, als Frau zu reisen.

Reiseliteratur von Frauen ist ein hochinteressantes Genre, Vertreterinnen im 19. Jahrhundert sind Ida Pfeiffer, Fanny Lewald, Ida Hahn-Hahn („Orientalische Briefe“) , Lady Montagu, Annemarie Schwarzenbach und Isabelle Eberhardt, um nur ein paar wenige zu nennen. Am 1.8.1716 beginnt die Orient-Reise der gebildeten Lady Mary Montagu (1689-1762), die in ihren lesenswerten Turkish Embassy Letters“ nach London berichtet. Ihre anfänglichen Vorbehalte gegen die islamische Sitte der Verschleierung der Frauen ändert sie, als sie über die Vorteile aufgeklärt wird.

Zum Bild des Orients


In seiner wegweisenden, 1978 publizierten Studie Orientalism arbeitet Edward Said heraus, wie der stereotype Diskurs des erotisierten und feminisierten Orients die Vorstellungen und die Literatur der Zeit prägte. Der Orient sei eine europäische Erfindung, seit dem Altertum war es ein Ort der exotisierten Menschen, der romantisierenden Bilder, vgl. Bizets Oper Les pêcheurs de perles / Die Perlenfischer von 1863, eindrücklicher Erinnerungen, stilisierter Landschaften und aufregender Erfahrungen, ein Ort, der für den Westen und spezifisch für Europa als das ‚Andere‘ fungiert. Dabei habe Orientalismus als Diskurs operiert, der besonders kulturell und ideologisch Institutionen, die Sprache, die Bilder, die Wissenschaft und die koloniale Bürokratie bestimmt habe. Frauenliteratur, wie die von Lady Montagu, setzt diesem ‚Anderen‘ einen anderen Diskurs entgegen, ein innovatives Bild. Bianca Tschaikners „Savari“ steht in dieser Tradition. Es zeichnet ein anderes Orientbild.

 

Bianca Tschaikner, SAVARI An Illustrated Journey Through Iran & India, EUR 21,40, ISBN 978-3-99018-363-2, Bucher Verlag Hohenems, 2016

 

Reiseillustrationen „SAVARI“
12.2. - 27.3.2016
Eröffnung 11.2., 19.30 Uhr
Di – So 10 – 12 und 14 – 17 Uhr
Stadtmuseum Dornbirn