Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Fritz Jurmann · 05. Okt 2016 · Literatur

Bruno Oberhammer hat für einen Bildband die Montafoner Orgellandschaft dokumentiert und an den historischen Orgeln von Tschagguns eine CD eingespielt - Herausragend in ihrer Dichte, Vielfalt und Qualität

Der international tätige und bekannte Organist und Musikwissenschaftler Bruno Oberhammer aus Höchst, der kürzlich in einer respektablen mehrjährigen Konzertreihe an der Orgel seiner Heimatgemeinde das gesamte Orgelwerk Johann Sebastian Bachs aufgeführt hat, ist auch rund um seinen heurigen 70. Geburtstag weiter unermüdlich unterwegs. So hat er sich als Buchautor in penibler wissenschaftlicher Kleinarbeit der Erforschung und Dokumentation der Orgellandschaft des Montafon gewidmet. Der daraus entstandene Bildband „Montafoner Orgeln“ wird am 15. Oktober in der Tschaggunser Wallfahrtskirche zu „Unserer Lieben Frau Mariä Geburt“ präsentiert.

Anschließend bringt Oberhammer persönlich auch das Prunkstück seiner Arbeit in einem Konzert zum Klingen, die vor genau 200 Jahren für diese Pfarrkirche von Joseph Bergöntzle erbaute historische Orgel. Dazu wird auch eine von Oberhammer an den beiden historischen Instrumenten dieser Kirche ganz aktuell eingespielte CD vorgestellt. Das ist neben der Bergöntzle-Orgel auch eine frühbarocke, klanglich auf einer 4-Fuß-Basis stehende steirische Tischorgel von 1741. Präsentator des Buches und der CD wird der Theologe, musikbegeisterte Kunsthistoriker und Buchautor Markus Hofer sein, Leiter der Stelle für Glaubensästhetik der Diözese. Die Veranstaltung findet im Rahmen des gesamtösterreichischen Orgeltages unter dem Motto „Volles Werk“ statt.    

Eine Orgel auf tausend Einwohner

Mit wachem Geist und einem Schuss gesunden Humors kommt Oberhammer, bei aller gebotenen Seriosität, in seinem Buch zu erstaunlichen Erkenntnissen: „Wenn man die Zahl der Montafoner Bevölkerung auf die 16 Orgeln der Talschaft umlegt, kommt statistisch gesehen eine Orgel auf etwa eintausend Einwohner. Bezogen auf das ganze Land, ist diese Dichte nur halb so groß. Um sie landesweit zu erreichen, müsste es in Vorarlberg 400 statt der bestehenden 200 Orgeln geben.“ Angesichts dieser markanten Dichte scheint Oberhammer auch die Anwendung des Begriffs „Orgellandschaft“ durchaus angemessen.

Aber auch die Vielfalt und vor allem die Qualität dieser Instrumente sind für ihn absolut beeindruckend: „Das Spektrum reicht von einem Kleinstinstrument mit nur einem Register bis zu einer großen Orgel mit 41 Registern. Erbaut wurden die Instrumente zwischen dem 17. und 20. Jahrhundert, einige von ihnen sind sehr gut erhaltene Denkmalorgeln von internationalem Rang und absolutem Seltenheitswert. Und keine von ihnen ist eine so genannte ‚Universalorgel‘, auf der bekanntlich alle Stile der Orgelmusik gleich indifferent dargestellt werden. Es sind ausgeprägte, profilierte ‚Persönlichkeiten‘ von höchster künstlerischer Qualität, die auf einem geographisch kleinen Raum geradezu zu so genannten vergleichenden ‚Orgel-Wanderungen‘ einladen!“

„Opus maxium et ultimum“

Als signifikantes Beispiel könnte man die „Jubiläumsorgel“ von Tschagguns herausgreifen. Sie wurde in den Jahren 1815/16 von dem Elsässer Orgelbauer Joseph Bergöntzle errichtet, der möglicherweise aus der legendären Silbermann-Schule  stammt. Mit ihren 38 Registern auf drei Manualen und Pedal gilt sie heute als eine der bedeutendsten historischen Orgeln Österreichs. Dieses Werk sollte sein „Opus maximum et ultimum“ werden, weil er keine größere Orgel als diese jemals gebaut hat und weil das sein letztes Werk bis zu seinem Todesjahr 1819 bleiben sollte. Nach Umbauten und der mustergültigen Restaurierung von 1994 durch die Schweizer Spezialisten Georges Lhote und Ferdinand Stemmer sind heute noch 80 Prozent des ursprünglichen, nach französischer Barockintention errichteten Bestandes erhalten.

Sowohl im Konzert wie auf CD setzt Oberhammer Johann Sebastian Bachs Kompositionen mit Werken von dessen Vorbildern in Beziehung: „Um von Buxtehude zu lernen, dem Meister des norddeutschen Stylus fantasticus, reiste Bach 1705 zu Fuß nach Lübeck. Pachelbels Einfluss äußert sich besonders in Bachs Choralpartiten und -vorspielen. Der Franzose Pierre du Mage steht über seinen Lehrer Marchand in Verbindung zu Bach, der etwa in seiner ‚Pièce d’Orgue‘ und mit Choralbearbeitungen à la francaise wie ‚An Wasserflüssen Babylons‘ und ‚Allein Gott in der Höh‘ vielfältige französische Stilelemente in seine Musiksprache aufgenommen hat. Dieser besonders ausgeprägte Tonfall findet in der Disposition der Tschaggunser Orgel ideale Voraussetzungen.“

Dreiköpfige Choralschola

Und eine Besonderheit, die ihm ganz wichtig ist, hat Oberhammer noch auf seiner CD parat: „Der gregorianische Choral des Mittelalters steht als Ausgangspunkt der europäischen Musik für mich auf der höchstmöglichen Stufe überhaupt. Diese Einstimmigkeit ist an Ausdrucksfähigkeit auch durch die gesamte Mehrstimmigkeit einfach nicht zu überbieten. Nicht umsonst rekurrieren viele Komponisten der Musikgeschichte immer wieder auf den einstimmigen Choral. Mozart etwa hat an seinem Lebensabend bekannt: ‚Wenn ich nur eine einzige Melodie wie das lateinische Pater noster erfunden hätte, würde ich alle Werke von mir drangeben‘! So werden auf der CD von einer dreiköpfigen Choralschola unter Clemens Morgenthaler vom Landeskonservatorium drei gregorianische Gesänge alternativ zu den entsprechenden Orgelkompositionen gesungen.“

Auch der im Vorjahr neu konzipierte „Montafoner Sommer“ hat heuer diesen vielfach zu wenig erkannten und gewürdigten Schatz für sich entdeckt und gleich das erste seiner musikalischen Schwerpunkt-Wochenenden Anfang August mit vier Konzerten der historischen Orgellandschaft gewidmet. Der neue organisatorische Leiter Markus Felbermayer und der Leiter der Montafoner Museen, Michael Kasper, verweisen in ihrem Programm-Vorwort auf das dadurch ermöglichte ganzheitliche Klang- und Kulturerlebnis, das in dieser Form wohl einzigartig sei.

Und Kasper, der im Textteil mitgearbeitet hat, ergänzend: „Darüber hinaus ist es für uns von großer Bedeutung, zu diesem künstlerischen Schwerpunkt auch eine kulturgeschichtliche Dokumentation als Fundament für den neuen Orgelschwerpunkt vorlegen zu können. Das Buch, herausgegeben als Sonderband der Montafoner Schriftenreihe vom Heimatschutzverein Montafon, soll nicht nur ein Fachpublikum ansprechen, sondern auf der Basis leicht verständlicher Texte, einer reichhaltigen Bebilderung (Fotograf: Darko Todorovic) sowie einer ansprechenden Layout-Gestaltung (Christoph Ganahl) breite Kreise erreichen.“


Orgelkonzert „Volles Werk“ mit Buch- und CD-Präsentation

Sa, 15. Oktober, 17.00 Uhr
Pfarrkirche Tschagguns
Bruno Oberhammer an der historischen Bergöntzle-Orgel
Werke von Buxtehude, Pachelbel, Bach und du Mage


Der Bildband „Montafoner Orgeln“ von Bruno Oberhammer und seine neue CD an der Orgel Tschagguns sind im Handel, in den Montafoner Museen, bei Montafon Tourismus sowie bei den Orgelkonzerten erhältlich.