Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Thorsten Bayer · 29. Apr 2017 · Kleinkunst, Kabarett

Wenn die Queen zu Queen wird – Ennio Marchetto im Freudenhaus Lustenau

Ennio Marchetto ist mit seinem Programm „The living paper cartoon“ ins Freudenhaus zurückgekehrt. Nach seinem Besuch 2014, als das Zeit noch in Bregenz stand, gastiert er nun zwei Tage lang am neuen Standort im Lustenauer Millennium Park. Die Premiere am Freitagabend war ein voller Erfolg. Das Publikum amüsierte sich bei seinen rasant und präzise vorgetragenen Nummern köstlich und spendete donnernden Applaus. Am heutigen Samstag ist der Verwandlungskünstler aus Venedig ein zweites Mal zu sehen. Es gibt noch Tickets.

Papier- und Maskentheater ist das Metier des 57 Jahre alten Ennio Marchetto. Diese zunächst etwas sonderbar klingende Kunstform hat er zur Perfektion gebracht und unterhält die Zuschauer bestens. In Sekundenschnelle wechselt er, entweder direkt auf der Bühne oder verdeckt am Rand, seinen papiernen Kostüme und Rollen. Dass sein Auftritt mitreißt, liegt zudem an der musikalischen Untermalung. Bei seinen Parodien sind besonders viele Musiker dabei, angefangen bei Marlene Dietrich über Tokio Hotel und Luciano Pavarotti bis zu Gloria Gaynor und Miley Cyrus auf ihrer berühmten Abrissbirne („Wrecking ball“). Entsprechend liefert nicht nur Marchettos Darbietung auf der Bühne einen Hit nach dem anderen, die Boxen tun es ebenso.

Mona Lisa auf Abwegen

So geht es mit Marilyn Monroes „I wanna be loved by you“ los, bevor Fred Astaire im Regen singt. Spätestens nach dem ersten überraschenden Umbau seines Papierkostüms, der Stevie Wonder entstehen lässt, ist der Zuschauer passend zum gespielten Song geneigt zu fragen: „Isn´t he lovely?“ Mona Lisa wird kurz darauf aus ihrer klassisch statischen Rolle herausgerissen und tanzt zu „Venus“ von Shocking Blue lasziv über die Bühne. Später lässt er zum Song „Hello“ Adele in den Dialog zu sich selbst und zu Lionel Richie treten. Eine gelungene Pointe jagt die nächste, so ist auch die 70 Minuten lange Show keinesfalls zu kurz angesetzt. Aus einer rasanten Abfolge einzelner Nummern entsteht eine stimmige Gesamt-Show. Einmal angefangen, ist es schwer, wieder aus dem Lachen herauszukommen. Und dass Marchetto dieses Tempo – zumal es keine Pause gibt – durchhält, ist allein schon eine große körperliche und logistische Leistung.

Biene Maja im Sonderzug nach Pankow 

Besonders unterhaltsam wird der Abend durch zwei Dinge. Zum einen lässt er unvereinbar erscheinende Gegensätze aufeinanderprallen bzw. auseinander entstehen: Aus Michael Jackson wird Kraftwerk wird Modern Talking. Udo Lindenberg verwandelt sich mit wenigen Handgriffen zu Biene Maja. Zum anderen sind Gestik und Mimik der Originale wie beispielweise im Fall von Tina Turner und Frank’n’Furter durchweg so gut getroffen, dass die Parodie weit über das handwerklich sauber gefertigte Kostüm hinausgeht. Dann zeigt sich die Größe im Kleinen, in den kleinen Gesten. Marchetto macht sich einen großen Spaß aus und mit seinen Figuren, ohne sie der Lächerlichkeit preiszugeben. Stets spielt er mit großer Anmut und Demut. The Scotsman befand: „He makes everything sparkle. Marchetto is a true original.“ Die Kollegen des Magazins Time out London sahen in ihm „an entertainer touched by genius“.

Gelungener Schlussakkord 

Als Kind schwärmte er für die Cartoons von Walt Disney. Eine Reminiszenz an diese Zeit ist mit dem Auftritt von Minnie Maus im Pünktchenkleid auch in Lustenau zu erleben. Eine besonders hübsche Reihe hat sich Marchetto für den Schluss aufgehoben: Queen Elizabeth II. verwandelt sich im Handumdrehen in Freddie Mercury. Aus der Queen wird (der Frontman der Band) Queen. Dazu läuft „I want to break free“, was doppelt gut passt: In dem berühmten Video zum Song trägt Mercury wie seine Bandkollegen Frauenkleider, die Marchetto daher gut anbehalten kann – zumindest einen Moment lang. Dann „befreit“ er sich auch, lässt erst den charismatischen Sänger in sein gewohntes Bühnenoutfit (mit Union Jack, anschließend mit freiem Oberkörper), bevor er als komplett unverkleideter Ennio die letzte Maske fallen lässt. Seine Kostüme bestehen aus Papier und Pappe, seine Show ist jedoch wirklich nicht von Pappe.

Wer diesen Ausnahmekünstler erleben möchte, hat am heutigen Samstagabend eine zweite Chance. Karten sind noch an der Abendkasse erhältlich. Einlass ist um 19.30 Uhr, eine Stunde später geht´s los.

Die nächsten Abende im Freudenhaus gestalten Fritz Karl und die OÖ. Concert Schrammeln (Lesung und Konzert, 3. Mai), das Neapolis Ensemble mit traditionellen Liedern am 5. Mai sowie das World Percussion Ensemble, das am 10. Mai einen Mix aus Weltmusik und Jazz zu Gehör bringt. www.freudenhaus.or.at