Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Anita Grüneis · 05. Mär 2016 · Kleinkunst, Kabarett

Vince Ebert im TAK - Warum lieben wir Pandabären mehr als Darmbakterien?

„Ein total cooler Abend“, meinte eine Besucherin am Ende der Show mit Vince Ebert. Der Wissenschaftskabarettist und diplomierte Physiker unterhielt, bereicherte, amüsierte und belehrte auf eine so kluge und spannende Art, dass man ihm gerne noch viel länger zugehört hätte. Sein Thema im TAK war „Die Evolution“. In 90 Minuten erklärte er 13 Milliarden Jahre.

„Ich bin nach Merkel der zweite Physiker, der im Bereich Kabarett und Comic sein Geld in Deutschland verdient“, meinte Vince Ebert gleich zu Beginn und tauchte dann tief in die Urzeiten des Universums ein, führte die Finsternis vor dem Urknall vor, fragte sich, wie er wohl klang, dieser Knall, und ob er überhaupt klang, denn Schall benötigt ja, nach unserem Wissen, Materie, um sich auszubreiten. Doch damals war nichts da. Es dauerte – ausgehend von einer Uhr – ganze drei Minuten, bis 80 Prozent aller Materie entstanden war. „Aus genau dieser Materie bestehen auch wir“, meinte Ebert und „Drei kurze Minuten reichten also aus. Da kann der Typ mit seinen sechs Tagen aber schön einpacken“. Beim Licht sei er allerdings einen Zacken schneller gewesen, denn es dauerte dann doch noch 400'000 Jahre und 20 Sekunden, bis sich das Universum soweit ausdehnte, dass das Licht durchdringen konnte.

Da ist soviel Platz


Zum berühmten „Deep Field“ Foto, aufgenommen vom Hubble Space Teleskop, mit all den Galaxien, von der jede einzelne hundert Milliarden Sterne enthält, konstatierte er: „Da ist so unfassbar viel Platz und wir regen uns auf, wenn der Nachbar seinen Zaun zehn Zentimeter zu weit auf unser Grundstück setzt.“ Dass dann gläubige Menschen auch noch meinen, da müsse es doch mehr geben als nur diese sichtbare Welt, kommentierte er trocken mit einem Hinweis auf das Hubble-Foto: „Ja, reicht Euch denn das nicht?“ Schwarze Löcher verglich Ebert mit dem Vatikan: „Nichts dringt nach aussen und innen ist die Zeit stehen geblieben.“ Die Erde sei ein echter Glücksfall in unserem Universum, denn alle anderen Planeten seien unzumutbar. „Unser Sonne hat genau die richtige Größe, sie wandelt seit 4 1/2 Milliarden Jahren Masse in Energie um und wird dabei pro Sekunde um 4 Millionen Tonnen leichter. Und trotzdem hat sie seitdem nicht wesentlich abgenommen“.

Eine Spielwiese für Gene


Ebert rollte die Evolution des Menschen immer weiter auf, fragte sich, warum unsere Darmbakterien nicht genauso geliebt werden wie die Pandabären, erklärte warum Löwen Arschlöcher sind, was die DNA für unser Leben bedeutet, warum wir ohne Hirn eigentlich viel leistungsfähiger wären, was es mit der sexuellen Fortpflanzung auf sich hat, wieso Sex eine Strategie gegen Parasiten ist, warum das Spitzhörnchen die Dinosaurier überlebte und welche Bedeutung das für uns hat. „Evolution ist eine Spielwiese für Gene“, so der Physiker, sie folge keinem Plan. Die Menschen verhielten sich aber immer noch wie steinzeitlich geprägte Rudeltiere und die Ehe sei als romantische Form des Glücks empirisch falsch, das zeige sich auch daran, dass 50 Prozent aller Ehen geschieden werden und trotzdem weiter geheiratet werde. Dazu Ebert: „100 Prozent aller Menschen sterben. Hören wir deswegen auf zu atmen?“

Von der Unsterblichkeit


Man könnte ihm stundenlang bei seinen Ausführungen zuhören, es ist bereits das vierte Soloprogramm des Wissenschaftlers, der zur Bühne kam, weil ihm das Forschen doch nicht zufrieden stellte, wie er am Ende seines Studiums feststellte, deshalb als Unternehmensberater anheuerte und auch in dieser Welt nicht zuhause war. Auf der Bühne fühlt er sich ganz offensichtlich wohl, ein Touchscreen-Monitor genügt ihm als Mitspieler. Sein Programm „Evolution“ endete mit der (Un-)Sterblichkeit. „Platon und Sokrates sind so unsterblich, dass die griechische Regierung ihnen bis heute die Renten auszahlt“, meinte er und hatte damit wieder einmal die Lacher auf seiner Seite. Zum Schluss wurde er dann doch beinahe pastoral, als er erklärte, dass jeder von uns aus 10hoch 28 Atomen besteht. „Das sind mehr Atome als es Sterne in unserem Universum gibt. Atome, die es schon gegeben hat, lange bevor es uns gab. Mit jedem Atemzug atmen wir ein paar Atome von einem Menschen ein, der mal auf dieser Erde gelebt hat. Und wenn wir dann das Leben aushauchen, dann existieren die 10hoch 28 Atome weiter. Nichts an uns verschwindet, wir sind nur weniger geordnet“, so sein moralisches Résumé.