Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Anita Grüneis · 28. Jän 2017 · Kleinkunst, Kabarett

Esther Hasler brilliert in Schaan und Vaduz - Black Beauty live im wild live

Ganz in Schwarz gekleidet betritt sie die Bühne, ihr roter Haarschopf leuchtet, sie begrüßt die Anwesenden und man merkt schon, der smalltalk ist ihre Sache nicht. Sie singt lieber. Das tut sie in verschiedenen Sprachen, hochdeutsch, berndeutsch, russisch-deutsch, französisch oder schon auch mal liechtensteinisch. Damit ihr dabei das Mundwerk nicht austrocknet, stellte sie sich einen kleinen Luftbefeuchter auf den Flügel. Der zarte Nebel strömt in den Raum, ein Kraftspender, wie sie meint, und schon fliegen ihre Hände über die Tasten. Esther Hasler, die Schweizer Künstlerin mit Liechtensteiner Wurzeln, zeigt ihr fünftes Soloprogramm mit dem Titel „Wildfang“ im TAK in Schaan und im neuen Domizil des Schlösslekellers in Vaduz.

Natürlich ist auch der Titel doppeldeutig, denn Esther Hasler ist selbst ein Wildfang, ein lebhaftes „Kind“, das die Welt um sich mit Staunen verfolgt. Sie ist aber auch ein Mensch, der sich in der freien Wildbahn bewegt und dabei so manche Beute einfängt. So fällt ihr auf, dass in den Buchhandlungen zuhauf Bücher über Basteln, Gartenarbeit und Mandala Malen liegen. Die Leute bräuchten etwas Beruhigendes, so die Verkäuferin auf Anfrage.

Urban Gardening und der Heilige Urban

Die Künstlerin macht sich ihre Gedanken zum Urban Gardening, wahrscheinlich sei mal der Heilige Urban – ein Exfreund der Hildegard von Bingen – in die USA ausgewandert und habe auf seinem Balkon Heilkräuter gezüchtet. Auch sie selbst habe neulich einen Fenchelsetzling aufgestellt, an ihm einen kleinen weißen Punkt entdeckt, nein, kein Ungeziefer, ein Schmetterlingsei sei es gewesen. Sie habe beobachtet, wie das Ei mit dem Fenchel wuchs, wie es sich zur Larve veränderte, den ganzen Fenchel auffraß. In dieser Wüste habe sich die Raupe dann verpuppt und der Schmetterling wurde geboren. Den habe aber sofort die Katz gefressen. Eine wunderbare Allegorie auf unser Leben!

Gruschenka erklärt die Welt

Esther Hasler erzählt amüsant und immer mindestens doppelbödig.  Als alte Bernerin spricht sie über den WWF, für den sie jahrelang Geld spendete, das nichts einbrachte, denn immer noch werden Nashörner und Elefanten getötet, dafür hätten sich die grauen Panther vermehrt. Sie lässt ihre russische Freundin Gruschenka sprechen, die meint, dass der Kapitalismus zum Kaputtalismus führt. „Quo vadis Zivilisation in der Wildnis?“ fragt sich Esther Hasler selbst und führt als Beispiel die neue Mode des Insektenessens auf. Krabbelgruppen essen Mehlwurm-Panettone oder lokale Spezialitäten wie Fuchsbandwurmvermicelles. Sie hat auch eine Idee, wie der Tourismus in der Schweiz wiederbelebt werden kann: Mit bloßem Oberkörper dürfen russische Oligarchen Wölfe in der Schweiz jagen, die zuvor aus Russland eingeführt wurden.  

Eine Frau mit hohem Niveau

Bei Esther Hasler gibt es viele solcher Geschichten, die immer im Zeitgeschehen wurzeln, deren Wurzeln aber viel tiefer reichen und mehrere Böden durchdringen. Sie ist eine sensible Beobachterin, die das Weltgeschehen um sich aufnimmt, es verinnerlicht und auf ihre Art und Weise reflektiert. Dabei ist die Musik ihr Medium, ihre eigenen Kompositionen erinnern an Paolo Conti, ihr politisches Engagement an Konstantin Wecker. Aber sie weiss nichts besser, sie hat keine Wut, sie ist nicht bissig, sie ist amüsiert, besorgt und manchmal traurig. Ihre Geschichten erzählt sie mit einem Augenzwinkern oder mit einem Seufzen. Ihre Pointen stechen nicht, sie zwiebeln, die Themen werden geschält, den Kern aber müssen die Zuschauer selber spüren. Kein Zweifel, die Frau hat Niveau! Ein hohes Niveau.