Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Christina Porod · 10. Jän 2014 · Kleinkunst, Kabarett

Ein hinreißend origineller Abend mit hohem Unterhaltungswert - „Ohne Rolf“ in der Kulturwerkstatt Kammgarn

Mit einem originellen, unerwartet kurzweiligen und tiefsinnigen „Plakatumblätterkabarett“ entführte das Luzerner Kleinkunst-Duo „Ohne Rolf“ sein Publikum in eine fast lautlose Welt. Zwei Trittleitern, zwei Plakatständer, so traten die beiden, elegant in Schwarz Gekleideten, mit ihren Dutzenden Plakaten miteinander in einen Dialog. Anstatt direkt zu sprechen, kommunizierten sie lediglich mit Hilfe des gedruckten Wortes. In der Kulturwerkstatt Kammgarn in Hard stand am gestrigen Donnerstagabend also Mitlesen auf dem Programm.

Eineinhalb Stunden mitzulesen, das könnte anstrengend und schwunglos werden. Doch davon kann bei „Ohne Rolf“ keinesfalls die Rede sein. Sofort ist das Publikum im Sog der beiden Blattumdreher und taucht ein, in eine Welt ohne Laute. „Blattrand“, so der Titel des Programms, nimmt die Mitleser von der ersten Sekunde an gefangen und lässt sie bis zum Schluss nicht mehr los. Obwohl akustisch nichts zu hören ist, ist vieles wahrzunehmen. Wie das funktioniert? Mit Raffinesse, Perfektion und Sätzen voller Witz, Geist und Philosophie. Christof Wolfisberg und Jonas Anderhub schaffen eine überraschend effektvolle Atmosphäre. Das Publikum bleibt durch die kontinuierlichen Wechsel der Plakate stets erwartungsvoll, blickt immer gebannt in Richtung Bühne. Ein genialer Schachzug, der die Aufmerksamkeit nie abschweifen lässt. Durch das andauernde Lesen sind Künstler und Zuschauer in einer einzigen Gedankenwelt.

Deutscher Kleinkunstpreis 2014


Angefangen hat alles 1999. Jonas Anderhub und Christof Wolfisberg stellten sich auf die Straße. In ihren Händen ein Din-A-4-Blatt mit der Aufschrift „Hier gibt es nichts zu sehen". Doch es gab etwas zu sehen: Immer mehr Plakate. Je intensiver sie versuchten, die immer größer werdende Menschenansammlung loszuwerden, - „Wir könnten eine Sekte sein!" – desto mehr wuchs das Interesse des Publikums.
Mittlerweile hat das Duo „Ohne Rolf“ zahlreiche Kleinkunst-Preise abgeräumt, darunter den renommierten Prix Pantheon und ganz aktuell den Deutschen Kleinkunstpreis 2014.
Zitat der Jury: „Damit zeichnet die Jury ein Duo aus, das mit seinem Plakatumblätterkabarett eine verblüffende Spielform entwickelt hat. Jonas Anderhub und Christof Wolfisberg begeistern mit einer eigenständigen Mischung aus absurdem Theater und philosophischem Kabarett. Noch nie war Lesen so wunderbar, aufregend und herrlich unterhaltsam."

Kreative Einfälle


Banales („Ein trauriger Arsch lässt keinen fröhlichen Furz") und Philosophisches („Das ist nun mal unser Schicksal“) verschmelzen bei „ohne Rolf“ zu einer Einheit.
Die Emotionen von Jonas und Christof dringen auch ohne ein gesprochenes Wort durch. Allein mittels Schriftgröße, Satzzeichen oder die Geschwindigkeit beim Blättern - unterstützt durch Gestik und Mimik - entsteht eine Sprachmelodie: Ist einer wütend, werden die Wörter schlicht Weiß auf Schwarz gedruckt oder Gedachtes wird in Klammern geschrieben. Selbst den Kanon des Kinderliedes „Bruder Jakob" präsentieren sie auf eine so bezaubernde Art und Weise, die sofort Töne im Kopf entstehen lässt.

Das Duo zeigt eine hinreißend kreative Form der Kleinkunst, die nicht nur im Blattumdrehen verweilt. Mit kleinen Kniffs schaffen die Schweizer Überraschendes: Papierschnipsel werden zu einem Tränenschwall, Haftnotizzettel taugen zum „Post-ickel-face“ und ist die Schrift zu blass und kaum mehr leserlich, hilft ein Schluck Druckerschwärze. Christof: „Du trinkst zu wenig Schwarz“, darauf Jonas kaum noch lesbar: „Ich weiss.“

Lieber MIT „Ohne Rolf“


Einzig zwei Radios geben während des Programms Laute von sich. Von Zuschauerhänden in die Höhe gehoben, kommunizieren sie scheinbar selbständig, nicht nur miteinander, sondern auch mit dem Publikum. Das bleibt nicht die einzige Aktion der Künstler, die auf charmante Weise Anwesende einnimmt. Ein Zuschauer wird zum Mitblättern auf die Bühne gebeten.

Als Zugabe fangen sie mit einem Klingelbeutel Gedanken aus dem Publikum und präsentieren diese in gedruckter Form: „Wie wusste der Zuschauer, wann er umblättern muss?", „Haben die beiden das Papier wirklich gegessen?", „Warum heißen die beiden Ohne Rolf?" oder „Gibt es von Ohne Rolf auch eine CD?"

Für diesen großartigen Abend bedankt sich das Publikum mit jubelndem Applaus.
Was bleibt: Lieber MIT „Ohne Rolf“, statt OHNE „Ohne Rolf“ - Unbedingt anschauen und mitlesen.... Gerne auch mehrmals, da eine Vorstellung kaum ausreicht, um aufzunehmen, was das Programm mit den Wortspielereien alles umfasst.