Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Anita Grüneis · 07. Okt 2018 · Kleinkunst, Kabarett

#All inclusive, #happy family, #anschauen

Im Programm „All inclusive“ zeigen die beiden Kabarettisten Anna Neuschmid und Manfred Kräutler Szenen einer Patchwork-Familie. Als Anna (38) und Manfred (50) Bitschnau sind sie seit sieben Jahren ein Paar. Für beide ist es die zweite Ehe, jeder von ihnen hat einen Sohn. Annas Sohn Sandro lebt bei ihnen, Manfreds Sohn Vincent lebt bei der Mutter, ist aber oft zu Gast. Das Leben zu viert ist nicht immer einfach, vor allem dann nicht, wenn man eigentlich ein ganz anderes Leben führen möchte. Glücklich sind beide nicht und wollen dies ändern. Das Publikum im TAK durfte miterleben, wie die Problemlösung aussah. Dazu brauchte es nur einen Tisch und zwei Stühle und schon konnte der Countdown zum Glück beginnen. Oder doch nicht?

Das gemeinsame Essen der Bitschnaus wird von Gesprächen bestimmt. Anna spricht mit ihrem Sohn – natürlich per Handy, obwohl er nebenan in seinem Zimmer sitzt, Manfred liest am Tisch unentwegt im Handy. Man ist zu viert, irgendwie. Und irgendwann wird dann doch miteinander geredet. Natürlich über die Söhne. Der von Anna ist sportlich fit, dafür in der Schule nicht ganz so top, der von Manfred ist „sooo gschiit“ und darf mit seinen 13 Jahren zum Sprachaufenthalt nach England. Wie sich später herausstellen wird, schickt Vincent zwar Fotos von Bibliotheken, ist aber mit seinen Kumpels feuchtfröhlich anderweitig unterwegs. Sandro, der in ein Sportlager musste, in dem strenge Disziplin herrscht, beklagt sein Opferdasein. 

Das ist das Paradies. Oder doch nicht?

Mit dieser Ausgangssituation wird das Publikum in die Familie eingeladen. Es erlebt nun mit, wie sich beide auf ihren Urlaub in Sansibar vorbereiten, wie schon beim Kofferpacken die Fetzen fliegen, wie sie 13 Stunden lang im Flugzeug sitzen, ankommen und die 12 Tage Urlaub verbringen. Alles ist inklusive – ein Paradies mit Fünfsterne-Hotel, in dem das Meer so blau, der Strand so weiß und die Palmen so grün sind, das üppige Buffet superb ist und die Stimmung gefälligst freudig zu sein hat. Wenn es dann doch mal langweilig wird, kann die Zeit mit Kickboxen, Bogenschießen und Zumba-Tanzen vertrieben werden. Wie dumm nur, dass sowohl Anna als auch Manfred bereits vor der Reise entschieden haben, sich voneinander zu trennen und eigentlich nur auf den richtigen Zeitpunkt warten, um es dem anderen zu sagen. So wartet auch das Publikum gespannt auf diesen passenden Moment, der irgendwie nie so recht passen will.

Das kennt und weiß doch jeder

Autorin und Regisseurin Maria Neuschmid hat ihrer Tochter Anna und Manfred Kräutler eine Geschichte auf den Leib geschrieben, die einen Zeitrahmen und eine Zielsetzung hat und schon alleine damit Spannung aufbaut. Zudem schuf sie mit dem Ehepaar Bitschnau zwei Typen, die jeder im Publikum kennt. Der 50-jährige Finanzbuchhalter Manfred, der am liebsten in Malbun beim Wandern oder in Norwegen beim Fischen wäre, liebt die Ruhe, das Sitzen, Warten und Schauen. Seine Ehefrau Anna ist das pure Gegenteil, ein Dauer-Selfie, im echten Leben wie auch im digitalen. Als Kosmetik-Teilzeitverkäuferin wurde sie wegen Gehässigkeit einer Kundin gegenüber gekündigt, aber sie hat ja noch ihren Job als Thermomix-Party-Veranstalterin. Und natürlich muss sie den Urlaub in Sansibar breitflächig mit Fotos ins Netz stellen, damit die anderen sehen, was man sich leisten kann. Man spielt „Hashtag happy family“. 

 Was ist nur geschehen?

Dabei gehen jedem die Eigenschaften des anderen, in die er sich mal verliebt hatte, längst auf die Nerven. So wird der Urlaub eine Reise ins Zentrum dieser Ehe, bei der die Gegensätze extrem deutlich werden. Anna, die alles hat, aber nicht glücklich ist, unendlich quasseln kann und damit wohl jedem irgendwann auf die Nerven geht, ist bei Anna Neuschmid auch erfrischend spontan und mit ihrem Temperament sehr liebenswert. Manfred Kräutler ist ihr ein ebenbürtiger Partner, als Ruhe in Person erträgt er geduldig die oft seltsame Logik seiner Frau, dazu isst er unentwegt Äpfel, als wäre er deswegen geradewegs aus dem Paradies vertrieben worden. Die beiden bieten dem Publikum eine ideale Projektionsfläche für eigene Erfahrungen. Und wenn Anna „Nur für ihn“ zum Angeln mitgeht und dabei mit ihrer Unruhe alle verrückt macht und wenn Manfred „nur für sie“ als einziger Mann beim Zumba tanzen mitmacht, dann muss man die beiden einfach liken. Und darf außerdem herzhaft lachen. 

Fast zwei Stunden lang wartet das Publikum mit großem Vergnügen auf den passenden Zeitpunkt, wann endlich einer dem anderen sagt, dass es „Aus“ ist. Aber dieser Zeitpunkt kommt nicht. Ganz zum Schluss aber, kurz vor Ende der Vorstellung, gibt es doch eine Lösung. Eine überraschende. #All inclusive. Bitte liken und teilen.

Weitere Vorstellungen 2018:
12.10., 20 Uhr, Laurentiussaal Schnifis
19.10., 20 Uhr, Kulturbühne AmBach, Götzis
8.11., 20 Uhr, Altes Kino, Rankweil
29.11., 20 Uhr, Kammgarn, Hard