Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Thorsten Bayer · 07. Aug 2015 · Kleinkunst, Kabarett

„Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben“ – ein fulminanter Auftritt von Torsten Sträter beim FOEN-X Festival in Hard

Ausverkauftes Haus, ausgelassene Stimmung und reichlich Lacher: Der Kabarettist Torsten Sträter hat am gestrigen Donnerstagabend sein Publikum begeistert. Der Dortmunder mit der charakteristischen schwarzen Mütze, den viele von Fernsehauftritten in ARD-Sendern („extra 3“ und Dieter Nuhrs „Satiregipfel“) kennen, überzeugte durch seine Nahbarkeit, seine Wortgewalt und sein Talent, sich in erster Linie selbst auf die Schippe zu nehmen.

Es ist schon nach Mitternacht, die Show ist vor wenigen Minuten zu Ende gegangen. Doch für Torsten Sträter ist der Abend noch lange nicht vorbei. Zumindest ein kurzes Verschnaufen, ohne Kontakt zum Publikum, nach einem rund zweieinhalbstündigen Auftritt (die Pause ist bei diesem Wert schon abgezogen) – geschenkt. Vielleicht liegt es daran, dass er zuvor fünf Wochen lang nicht aufgetreten ist, sondern zuhause im Ruhrgebiet und in New York City war und daher noch mehr als sonst den Austausch mit seinen Zuhörern genießt. Wer ihn so beobachtet, vermutet aber stark, dass er sich auch mitten in einer langen Tournee nicht wesentlich anders gibt. Möglicherweise holt er sich gerade in diesen offenen Gesprächen Kraft und Inspiration.

Zwischen Kabarett und Comedy

Der Titel seines aktuellen Programms ist somit vielleicht auf seine mangelnde Disziplin beim Zeitmanagement zu beziehen. Allerdings: Böse ist deswegen keiner, im Gegenteil. Das Publikum könnte ihm noch ewig zuhören, scheint es; sei es auf der Bühne oder eben anschließend im kleineren Kreis. Der Ort scheint ihm besonders zuzusagen: In der Kammgarn fühlt sich der ausgebildete Herrenschneider wohl. „Ich bin kein richtiger Kabarettist“, sagt der 48-Jährige, „das kommt ihnen nur so vor, weil ich (Pause) alt bin.“ Wie er sich selbst sieht, hat er in einem FAZ-Interview vor anderthalb Jahren so formuliert: „Ich bin ein Vorleser und ein komischer Typ, wenn ich mir Mühe gebe. Ob Sie das dann als Comedy bezeichnen oder, weil Sie ein Cordjackett tragen, als Kabarett, das hängt von Ihnen ab. Das ist mir auch egal, ich möchte einfach, dass Sie lachen.“ Auch wenn er sich selbst „so lyrisch wie den Bo-Frost-Mann“ einschätzt: Neben seiner Schlagfertigkeit beeindruckt vor allem seine Wortgewalt, die an eines seiner Vorbilder – Jochen Malmsheimer – denken lässt.

Werte vermitteln

Bei allen Gags: Seine Ansage, er wolle – wie die meisten Menschen – jungen Leuten etwas mitgeben, kauft man ihm sofort ab. Zum einen hält er ein überzeugendes Plädoyer für das Medium Buch, insbesondere für Schmöker wie Herman Melvilles „Moby Dick“. Und es gehe ihm darum, Werte zu vermitteln – was für ihn am besten über Filme funktioniere. Wer jetzt mit Klassikern wie Citizen Kane, Forrest Gump oder Schindlers Liste gerechnet hat, liegt knapp daneben. Zumindest sind das nicht seine Lieblingsfilme. Zu diesen zählen stattdessen Karate Tiger 2, Und täglich grüßt das Murmeltier und Im Land der Raketenwürmer. Und so lustig sie auch klingen mag, seine knappe Zusammenfassung, wie es zu der Griechenland-Krise kommen konnte, hat durchaus Substanz: „Peter hat vier Äpfel, isst aber neun.“

Diät-Tagebücher

Seinen Pointen zielen sehr häufig nicht auf andere, sondern auf ihn selbst. Sei es bei seinen grandios gescheiterten Diäten, über die er zwei sehr lustige Tagebücher führte, sei es bei der Angst vor dem Blutabnehmen und anderen im weitesten Sinne medizinischen Behandlungen („Vor der Fußpflege nehme ich vier Kapseln Johanniskraut“), sei es bei einem weinseligen Besuch im deutschen Auswärtigen Amt mit den Kollegen Dieter Nuhr, Andreas Rebers und Ingo Appelt.

Heute Abend spielt Torsten Sträter am deutschen Bodenseeufer. Leider ist die Show im Rahmen des Kulturufers Friedrichshafen auch bereits ausverkauft. Hoffnungen, dass man ihn dennoch bald wieder einmal in der Gegend sehen kann, darf sich man aber machen. Auf die Frage eines Kammgarn-Gastes nach der Lesung, ob er plant, hierher zurückzukehren, antwortet Sträter (mittlerweile ist es fast halb eins): „Der niedrigste Anlass würde mir dazu genügen. Die Gegend gefällt mir.“ Es klang nicht einstudiert oder berechnend, als sei er grundsätzlich gut beraten, sein zahlendes Publikum bei Laune zu halten – sondern einfach ehrlich.

 

Das FOEN-X-Festival in der Kammgarn läuft noch bis zum 22. August. Heute Abend (Fr, 07.08.) spielen Island Jazz feat. Monika Njava and Linley Marthe aus Madagaskar bzw. Mauritius. Kabarettfreunde sollten sich den 20. August vormerken: Dann ist Rolf Miller mit seinem Programm „Alles andere ist primär“ zu Gast in Hard. 

www.kammgarn.at
www.foen-x.com
Torsten Sträter mit seinem Diättagebuch auf Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=Y-S_o1Yxg1M