Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Silvia Thurner · 09. Aug 2015 ·

Hörkino bei den Bregenzer Festspielen – Das Symphonieorchester Vorarlberg unter der Leitung von Gérard Korsten und die Sopranistin Measha Brueggergosman freuten sich über jubelnden Applaus

Ihre Vielseitigkeit stellten die Musikerinnen und Musiker des Symphonieorchesters Vorarlberg und Gérard Korsten bei der diesjährigen Festspielmatinee erneut eindrucksvoll unter Beweis. Das Orchester ging sogleich ‚in medias res’ und interpretierte das komplexe Orchesterwerk „Chinese Opera“ von Peter Eötvös. Mit diesem Werk betrat das Orchester auch so etwas wie Neuland in der Aufführung avancierter, neuer Musik. Auf bewundernswert hohem Niveau ging das musiktheatralisch angelegte Orchesterwerk über die Bühne. Frenetischen Jubel erntete die kanadische Sopranistin Measha Brueggergosman als Solistin der Wesendoncklieder von Richard Wagner. Die abschließend dargebotene vierte Symphonie von Brahms rundete das eindrückliche Konzertereignis ab.

Wenn man der Werkzusammenstellung mit Kompositionen von Eötvös, Wagner/Henze und Brahms eine inhaltliche Denkrichtung zugrunde legen wollte, so war es die individuelle Instrumentationstechnik, die unter anderem alle drei dargebotenen Kompositionen auszeichnete. Flexibel und vielschichtig meisterte das SOV diese Herausforderung.

Peter Eötvös’ „Chinese Opera“ entfaltete das Orchester mit großer innerer Spannkraft. So kamen die Klangkonstellationen, mit denen Eötvös dramatische, imaginäre Handlungen vertonte, farbenreich zum Ausdruck. Auffallend war die Orchesterteilung in zwei gespiegelte Ensembles mit jeweils drei Streichern, Holz- und Blechbläsern. Im Zentrum agierten drei Klarinetten und im Hintergrund übernahmen Harfe, Synthesizer und Perkussion wichtige dramaturgische Aufgaben. Höchst konzentriert agierten alle im Kammerorchester vereinten Musikerinnen und Musiker, Zusammenhalt stiftete der Dirigent Gérard Korsten.

Bewegte und bewegende Klangmassen


In „Chinese Opera“ zeigte sich, dass Peter Eötvös vor der Komposition im Jahr 1986 als Dirigent bereits viel Orchestererfahrung gesammelt hatte. Eindringlich und gut durchdacht, in präzisen Frage- und Antwort Dialogen, in vielschichtigen sich stets verändernden Klangfarbenmustern und wuchtigen Tonballungen sowie mit Raumwirkungen durch die spezifische Instrumentenaufstellung führte das SOV die Zuhörenden in eine abenteuerliche und kurzweilige musikalische Welt. Besonders reizvolle Passagen ergab der originelle Einsatz des Synthesizers, der durchaus mehr in den Vordergrund treten hätte dürfen.

Meistens werden derart komplex angelegte zeitgenössische Werke von Spezialensembles - wie beispielsweise dem Klangforum Wien - dargeboten. Im Vergleich dazu wirkte die Musik in der Deutung des SOV freilich weniger direkt und zurückhaltender. Wollte man kritisieren, so hätten einige Passagen in den Szenen und vor allem die Comics zugespitzter und somit ausgeprägter erklingen können. Insgesamt verdient das SOV für diese Werkdeutung jedoch höchsten Respekt.

Intensiv wirkende Sopranistin


Hans Werner Henze instrumentierte die fünf Wesendonck-Lieder „Der Engel“, „Stehe still!, „Im Treibhaus“, „Schmerzen“ und „Träume“ von Richard Wagner und setzte sich darin besonders mit den darin enthaltenen, nicht mehr eindeutig zuordenbaren harmonischen Tonschichtungen auseinander. Dies ist jedoch nur die musiktheoretische Innenschau, denn faszinierend gab Henze vor allem den naturhaften Klängen in schillernd nuancierten Farben Raum. Dieses Ansinnen kam im Lied „Im Treibhaus“ am eindrücklichsten zum Ausdruck.

Die Naturstimmungen als Analogien menschlicher Gefühle zelebrierte das SOV in seiner Werkdeutung mit einer gut ausgewogenen Klangbalance. Bereichert wurde die Darbietung durch die sympathische kanadische Sopranistin Measha Brueggergosman. Sie zog die Zuhörenden sofort in ihren Bann. Mit ihrer Gestaltungskraft verlieh sie den Wesendonckliedern eine ganz eigene Wirkung. Beispielsweise setzte sie das Vibrato nur an exponierten Stellen ein, dann aber umso wirkungsvoller. Die eher tiefen Lagen füllte sie mit einem erdig getragenen Timbre, mühelos schwang sie die Linien in die Höhe über die Tonlagenregister hinweg. So erfüllte Measha Brueggergosman die Lieder mit Leben. Einzig die nicht optimale Lautstärkenbalance zwischen der Sängerin und dem Orchester in den ersten beiden Liedern dämpfte zuerst den positiven Gesamteindruck.

Emotionsgeladen


Mit Brahms' vierter Symphonie in e-Moll, op. 98 rundeten das Symphonieorchester und Gérard Korsten ihr aussagekräftiges Konzert ab. Im Eröffnungssatz fanden die Musiker vor allem am Schluss zu einer prägnanten und intensiven Aussagekraft. Den Höhepunkt der Werkdeutung bildete das Andante moderato, wo die Holzbläser über feinsinnigen Pizzicati der Streicher die melodischen Linien klangsinnlich entfalteten. Das aufstrebende Thema im Allegro giocoso wurde energiegeladen und mit markanten Akzentuierungen in den Raum gestellt. Wiederum zum Ende hin bündelten das Symphonieorchester Vorarlberg und Gérard Korsten im Finalsatz den musikalischen Fluss.

Das Publikum dankte mit jubelndem Applaus für das abwechslungsreiche und ansprechende Konzert.

Tipp
Das Konzert wird am 21. August um 19.30 Uhr in Ö1 gesendet.