Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Peter Niedermair · 28. Apr 2017 · Gesellschaft

Tage der Utopie, 3. Tag, Arbogast, Mittwoch, 26. April 2017 - Utopia in Concert

Ein All-Star Ensemble aus rund 15 Jahren „Tage der Utopie“ in einem gemeinsamen Konzert featuring Peter Herbert, Kontrabass, Peter Madsen, Klavier, Carol Robinson, Klarinette, Garth Knox, Viola, Francis Marie Uitti, Cello, und Pascal Contet, Akkordeon. Sie zählen mit zu den besten ImprovisationskünstlerInnen Europas und kommunizieren in einer universellen Sprache.

Alle diese MusikerInnen sind bereits ein- oder zweimal an den Tagen der Utopie aufgetreten und haben die Vorträge und Gespräche der einzelnen Abende jeweils mit ihren Kompositionen eröffnet und am Ende wieder beschlossen. Seit den ersten Tagen der Utopie 2003 verbinden die Masterminds Hans-Joachim Gögl und Josef Kittinger, mittlerweile pensionierter Arbogastchef, dieser alle zwei Jahre stattfindenden Reihe die vorgestellten Zukunftsbilder mit Neuer Musik. Dies ist weit mehr als ein elementarer, unverwechselbarer Bestandteil der Programmatik und der Atmosphäre des Festivals. Für die jeweils sechs Themenabende werden die Musikerinnen und Musiker eingeladen, mit eigens dafür komponierten Stücken zu reagieren und diese persönlich in Arbogast uraufzuführen. Sie verbringen die gesamte Woche als Artists in Residence, sie komponieren hier, proben und spielen ihre Musik ein, zumeist in der Kapelle und nächtens („weil man ab einem gewissen  Zeitpunkt die Vögel nicht mehr hört …“), wenn die Musik aufgenommen wird, um sie auf einer CD zu dokumentieren. Die Produktions- und Aufnahmeleitung liegt in den Händen von Robert Bernhard; alle CDs sind über die Website www.tagederutopie.org bestellbar. Die Aufnahme dieses Konzert bei den 8. Tagen der Utopie wird in Kürze erscheinen. Durch diese Programmkonzeption sind unter den MusikerInnen freundschaftliche Beziehungen über ganz Europa und darüber hinaus entstanden. Zu diesen 8. Tagen der Utopie sind alle eingeladen worden, es gibt dieses Mal ein Wiedersehen der sechs oben genannten MusikerInnen, die am Mittwoch, dem 3. Abend des Festivals ein Konzert in der Kapelle gaben.

„Wetopia“ - Der Programmzettel

„Passagaglia – To String Trio
Duet – Peter + Peter
Duet – Pascal + Carol
Duet – Frances + Peter M
Solo – Garth to Duet + Pascal
Solo – Pascal
Peter H – To + Carol To all add in one by one (Group) – Lively
Quartet – Calm - Strings + Birbyne To + Pascal + Peter M (Discrete)
Group – Dunop

Plus drei Zugaben – Standing Ovations und lauter glückliche Menschen …

Die MusikerInnen des Konzertabends

Peter Herbert, Kontrabass
Der in Paris lebende Vorarlberger Kontrabassist und Komponist spielt als Interpret Solokonzerte in unterschiedlichen Duos und ist ein gefragter „Sideman“ diverser Jazzformationen. Mit mehr als 150 CD-Aufnahmen ist seine Arbeit auf diesem Gebiet dokumentiert. Als vielseitiger Komponist schreibt er für verschiedene Orchester und Kammermusikensembles. Seit 2007 unterrichtet Peter Herbert an der Anton Bruckner Privatuni in Linz.

Peter Madsen, Klavier
Peter Madsen ist ein US-amerikanischer Jazz-Pianist. In den 198oer-Jahre tourte er mit Stan Getz durch die USA und Europa, regelmäßig spielt er mit verschiedenen Größen der internationalen Jazz-Szene zusammen. Peter Madsen hat mehr als 500 Kompositionen geschrieben und auf über 100 Alben veröffentlicht. Seit einigen Jahren lebt er teils in New York, teils in Vorarlberg. Er unterrichtet unter anderem am Jazzseminar in Dornbirn und gehört durch seine Schülerinnen und Schüler und diverse Ensemblegründungen heute zu den einflussreichsten Musikerpersönlichkeiten des Landes.

Carol Robinson, Klarinette  
Die französisch-amerikanische Komponistin und Klarinettistin beschäftigt sich mit Sound, Ausdruck und Kommunikation. Sie interpretiert als Solistin sowohl klassische, zeitgenössische als auch experimentelle Musik in Konzerthäusern und Festivals auf der ganzen Welt. Als Komponistin arbeitet sie mit Choreographen, Video-Künstlern und Musikern unterschiedlichster Richtungen zusammen. Auf ihren CD-Aufnahmen beim renommierten New Yorker Label »MODE« interpretiert sie Werke von Komponisten wie Scelsi, Nono oder Berio.

Garth Knox, Viola  
Garth Knox, in Irland geboren, gehört zu den international herausragenden Bratschisten. Er arbeitete eng mit Komponisten wie Ligeti, Xenakis, Stockhausen, Cage und anderen zusammen und gab zahlreiche Erstaufführungen ihrer Werke. Viele Jahre war er Mitglied in Pierre Boulez’s Ensemble InterContemporain sowie Bratschist im renommierten Arditti String Quartet. Garth Knox lebt in Paris, wo er als Komponist arbeitet und als Solist sowohl Alte als auch Zeitgenössische Musik interpretiert.

Frances-Marie Uitti, Cello  
Die Cellistin und Komponistin Frances-Marie Uitti fügte dem Cello eine neue Dimension hinzu. Mit zwei Bögen in einer Hand erlaubt ihre Technik zur selben Zeit legato und artikuliert zu spielen. Der Londoner Guardian schrieb über sie: „Uitti is the world's most influential avantgarde cellist.“ Sie gibt Meisterklassen in Harvard, Yale oder Stanford und ist Gründerin der Bhutan Music Foundation, die die traditionelle Musik des Himalayakönigreiches bewahrt und fördert.

Pascal Contet, Akkordeon  
Pascal Contets Konzerte sind sowohl historische als auch akustische Abenteuer. Er wandert vom barocken Domenico Scarlatti, über Franz Schubert bis zu Astor Piazolla. Contet ist ein Meister der Improvisation und zeitgenössische Komponisten wie Franck Bedrossian, Bernard Cavanna, Bruno Mantovani widmeten ihm eigene Stücke. Seine letzten preisgekrönten CD-Einspielungen sind u.a. beim renommierten Label Harmonia Mundi erschienen.

Der Spirit von Arbogast

Für die MusikerInnen ist Arbogast im Laufe der Jahre seit 2003 zu einem besonderen Ort geworden. Peter Herbert sagte mir später nach dem Konzert, er vergleiche die MusikerInnen und das, was sie hier tun mit den Minnesängern und Spielleuten des Mittelalters. Diese zogen übers Land und waren die Überbringer von Nachrichten aus anderen Orten, sie berichteten von Ereignissen und unterhielten mit ihren Erzählungen das Publikum an den Höfen wie an den Dorf- und Marktplätzen. Das Wechselspiel, der Dialog zwischen den Akteuren und den Zuhörenden war jeweils aus besonders feinen Fäden gesponnen, auch wenn es regelmäßig ziemlich hoch herging, wie wir aus den Interlinearglossen der Schreiber wissen. Die wach und munter gewordenen, inspirierten Zuhörer verlangten von den Erzählern auf der Bühne durch ihre Beifallskundgebung eine weitere Erzählung bzw. eine Draufgabe, eine Verknüpfung mit einem weiteren Strang der Spielmannsepik. So verwoben sich die Texte, wie unter anderem jene von Chrétien de Troyes, einem südfranzösischen Autor des 12. Jahrhunderts, der als Begründer des höfischen Romans und dessen wichtigster Vertreter gilt. Mit der Musik sei es nicht viel anders, sagt Peter Herbert. Was hier dazu komme, sei die außergewöhnliche Atmosphäre an den Tagen der Utopie, das Programm, die Vorträge und Diskussionen, die Gespräche, in die sich die MusikerInnen nicht nur einlassen, sondern auch als Akteure auftreten. Sie kennen die Texte und Manuskripte der Vorträge und improvisieren auf diesen intellektuellen Folien. Somit kann die in die Vorträge und Gespräche einführende Musik das Herz und den Kopf – und zurück – öffnen und Flügel verleihen, so wie jene die Vorträge beschließende Musikdarbietung einen guten Landeplatz findet, um den Bogen oder den Kreis abzurunden zu schließen und für das Gespräch wieder zu öffnen, eine systemische Schleife. Alle Stücke werden aufgenommen und auf CDs dokumentiert. Sie sind ein lebendiges Archiv musikalischer Improvisationskunst. Wenn ich gestern geschrieben habe, ‚the language creates the spirit‘, muss ich heute schließen mit ‚the music co-creates the spirit‘. Hören Sie selbst. Das Konzert am Mittwochabend war ein ganz außergewöhnliches. Es gibt solche besonderen Momente im Leben, an denen man das Gefühl hat, das war ein großes Geschenk. - Alle Vorträge sind über die Homepage www.tagederutopie.org abrufbar. Check it out, go and listen!