"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Tamara Ofner · 01. Mai 2017 · Gesellschaft

Grüss Göttin! - Seit Sonntag zeigt das Jüdische Museum in Hohenems eine überraschende weibliche Seite Gottes

Hat Gott eine Frau? Warum sagen wir „Muttergottes“, wo wir doch gelernt haben, dass die Jungfrau Maria die Mutter von Jesus war? Wie viele Rabbinerinnen gibt es – und seit wann? Die aktuelle Ausstellung im Jüdischen Museum „Grüss Göttin“ wirft solche und viele andere Fragen auf, ohne dass die beiden Kuratorinnen Michaela Feurstein-Prasser und Felicitas Heimann-Jelinek einen Anspruch auf Vollständigkeit und schon gar nicht auf letztendliche Beantwortung erheben. Die Ausstellung „Grüss Göttin“ ist wesentlich mehr als ein feministischer Ansatz in der Auseinandersetzung mit Gott, denn sie schlägt einen weiten Bogen von der Antike bis zur Jetztzeit, sie bietet eine Reise durch die Jahrtausende, lässt den Blick durch die Praxis der drei großen monotheistischen Religionsgemeinschaften Judentum, Christentum und Islam schweifen. Beeindruckende Exponate, Detailreichtum und überraschende Facetten sind zu finden. Es ist erlaubt und erbeten nachzudenken und Fragen zu stellen.

Mehr als eine kleine Nebensächlichkeit

„Haben Sie ein Bild von Gott und wenn ja, haben Sie sich Gott schon einmal als Mann vorgestellt?“ Diese Frage stellt Rabbiner Bea Wyler – ja, sie ist eine Frau – und sie hält die Eröffnungsrede. Sie erzählt von ihrem eigenen Werdegang, dass sie mit Gott immer im Kopf und im Herzen gesprochen habe, kommuniziert sozusagen. „Braucht Gott überhaupt ein Geschlecht?“, stellt sie weiter die Frage und beginnt eine tiefgreifende und konsequente Auseinandersetzung mit dem alltäglichen Sprachgebrauch des Weiblichen, des Männlichen und des Göttlichen. Das ist nicht immer einfach, wir sind zu sehr gewohnt, in den Kategorien männlich/weiblich und auch „anders“ die Welt zu betrachten, zu denken und zu sprechen. Eine Glaubenspraxis jedoch, die konsequent das Götlliche sieht und anspricht, erübrigt Ausgrenzungen jeglicher Art und auch die Ausgrenzung von entweder Weiblichem oder Männlichem. Denn Gott ist ganz und es gibt keine halben Gesamtbilder, vertritt Rabbiner Bea Wyler selbstbewusst sowohl ihren Glauben als auch ihr Geschlecht.

 Vom Buch Genesis bis heute

Die Kuratorinnen der Ausstellung, Michaela Feurstein-Prasser und Felicitas Heimann-Jelinek waren bereits lange Zeit von der ursprünglichen Quelle der drei großen monotheistischen Religionen angestoßen – dem Buch Genesis 1.27. „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und er schuf sie als Mann und Weib.“ In diesem Satz ist ein grundsätzlicher Widerspruch festgeschrieben, der die gesamte religiöse Praxis und Entwicklungsgeschichte von Judentum, Christentum und Islam seit der Entstehung dieses gemeinsamen biblischen Ursprungstextes bis in die aktuelle Gegenwart prägt. Gott schafft sein Ebenbild als Mann und Frau. Es gibt also den Menschen und es gibt ihn als Mann und Frau. Es gibt jedoch nur einen Gott. Wie kann also das Abbild von einem zwei sein? Und wie wird vor allem dieses Weibliche in den Religionen dargestellt? Wie gestaltet sich der tagtägliche Umgang mit dem Weiblichen? Wie gestalten ihn Männer und wie wird er von Frauen gestaltet? Zu sehen sind Bilder, Figuren, einzelne Texte, Bücher und Schriftrollen, die Ansichten, Begrifflichkeiten und gelebte Praxis im Bezug zur Weiblichkeit im Christentum, Islam und vor allem im Judentum darstellen. Auch wenn es bei dieser Ausstellung vordergründig um das Verhältnis zwischen männlich und weiblich geht und dem Bild, das innerhalb dieser Religionen darüber besteht - und somit in weitreichenden Gesellschaftsteilen - so steht am Ende doch nicht ein Feminismus, sondern die Frage nach dem grundsätzlich Anderen und dem Umgang in den unterschiedlichen Geschichtsepochen, in der Kirchenlehre ebenso wie in der Mystik der traditionellen Religionen. Es ist ein vielschichtiges und vielfältiges Bild, das dadurch entsteht. Von der Verbannung des Weiblichen bis zur Verehrung, von der Dämonisierung bis zur – schwer erkämpften – Priesterinnenschaft und der Erkenntnis, dass der Ausschluss des Weiblichen immer auch ein Ausschluss des generell Anderen ist und zu Gewalt und Zerstörung beiträgt.

Das Göttliche, das Menschliche und das Andere

Intellektuell und abstrakt ist die Darstellung alles Göttlichen und Menschlichen in der mystischen Kabbala. Das Göttliche wird in der jüdisch traditionellen Mystik als Ganzes gesehen, beschrieben und ist in allem Irdischen enthalten. Der kabbalistische Lebensbaum gibt allen Emanationen dieser göttlichen Vielfalt einen Platz, der durch 22 Buchstaben und 10 Zahlen symbolisiert und ausgedrückt wird. Die Aufgabe des Menschen besteht nun darin, das Fehlende und das Andere, das Gegensätzliche in sich selbst zu finden und zu integrieren, daraus entsteht eine Ganzheit und somit Göttlichkeit oder Heil und der Mensch wird zum Abbild Gottes.

Vielleicht ist die Figur der Vierge Ouvrante, genannt La Trinité eines der schönsten Beispiele für diese Ganzheit Gottes und Göttlichkeit des Menschen in einer bildlichen Darstellung. Die Vierge Ouvrante ist eine seltene Kostbarkeit, es gibt weltweit lediglich nur noch 13 Figuren, die diese Form der Gottesdarstellung zeigen. Auf dem Konzil zu Trient – zwischen 1545 und 1563 – wurde diese Form der Darstellung von der römisch-katholischen Kirche verboten, viele Figuren zerstört. Die Priester von Palau del Vidre konnten ihre Vierge Ouvrante, ihre Madonna jedoch gut verstecken. Geschlossen zeigt die Figur eine Madonna mit segnendem Jesuskind auf dem Arm. Öffnet man die Figur, ist Gott dargestellt, der in seinen Händen Jesus am Kreuz hochhebt. Unter dem Herzen trägt die Madonna die Taube des Heiligen Geistes. Die „Mutter Gottes“ also, die nicht nur Jesus auf dem Arm hält, sondern in sich den Heiligen Geist und Gott Vater trägt.

Wesentlich profaner und banal scheinen daraufhin so alltägliche Gebrauchsgegenstände wie Taufwindeln, Gebär- und Beschneidungstücher aus der jüdischen, christlichen und islamischen Tradition. Reich bestickt und aus allen Teilen der Welt erzählen auch sie vom Umgang mit dem göttlichen Eros, weiblicher Weisheit oder der Angst vor der dämonischen Seite der Weiblichkeit. Weitere Exponate erzählen über Glaubensmütter, von Frauenrechten und Frauenpflichten, mystischen Verbindungen und in einem Epilog zeigen je eine jüdische, eine christliche und eine islamische Künstlerin, wie in der zeitgenössischen Kunst Israels eine Annäherung an „Gottes Körper“ gesucht wird.

Die Ausstellung im Jüdischen Museum ist bis zum 8. Oktober zu sehen. Rund um die Ausstellung werden zahlreiche Führungen und Vorträge zur Vertiefung angeboten. Für Kinder gibt es den Workshop „Talisman und Talisfrau“ und für Jugendliche ab 14 Jahren den Workshop „Grüß Göttin“. Infos unter: www.jm-hohenems.at