„Kaffee und Zucker?“ Dokumentartheater im TAK in Liechtenstein © Pablo Hassmann
Gunnar Landsgesell · 01. Jun 2018 · Film

Wohne lieber ungewöhnlich

Familienverbund in Turbulenzen: Weil die Eltern sich nicht um ihre Kinder kümmern, gründen diese eine WG, um die Eltern zu disziplinieren. Französische Komödie, die vom selbst gestifteten Chaos überrollt wird.

Reichlich kindisch geht es in dieser französischen Komödie zu. Der pubertäre Teil fällt allerdings gänzlich den Eltern zu, die sich lieber ihren Hobbies, Jobprojekten oder Affären zuwenden, nur nicht ihren Kindern. Weil sie nicht länger als Platzhalter und Füllprogramm existieren wollen, proben die Kinder den Aufstand und organisieren sich in einer Wohnung selbst. Die fassungslosen Eltern versuchen ihre Kinder kurzerhand zurück zu verfrachten, doch zu spät. In einem kurzen Moment der Wahrheit müssen sie einsehen, dass sie ihre Autorität längst verspielt haben. Nun ist es an den Kleinen, ihren Alten die Regeln vorzugeben. Wie im Managerseminar werden auf einem Flipchart die Wochentage und jeweils zwei Elternteile eingeteilt, die zu ihnen in die Wohnung zum „Aufpassen“ kommen dürfen. Gleich vorab: ernsthafter werden die Erziehungsberechtigen dadurch auch nicht.

Generation swap

Regisseur Gabriel Julien-Laferrière hat sich mit „C'est quoi cette famille?!“ (deutsch: Was ist das für eine Familie?) einiges vorgenommen. Eine Gruppe von gleich sieben Kindern spielt die Hauptrolle, ungefähr doppelt so viele Erwachsene deren Elternteile. Dass man hier rasch die Übersicht verlieren kann, gibt man auch im Film zu, wenn es nach einem verwirrenden Intro sinngemäß heißt: Kennen Sie sich noch aus? Zumindest manchen der Figuren wird etwas mehr Profil zuteil: etwa Philippe (Thierry Neuvic) und Sophie (Julie Gayet), den geschiedenen Eltern von Bastien (Teïlo Azaïs). Julie heiratet zu Beginn ihren neuen Partner, eine Beziehung, die naturgemäß ebenfalls vom Start weg holpert. Vater Philippe wird hingegen die Rolle des notorischen Frauenhelden zuteil, die Figur bleibt dabei recht farblos.
Der vielleicht 12jährige Sohn Bastien ist so etwas wie die Stimme dieser Runde desillusionierter Kinder. Einer Klassenkollegin, die sich gerne neben ihn setzen möchte, erklärt er mit nüchternem Tonfall, Liebesbeziehungen seien ein Konzept, das es ohnehin nur im Film gibt. Den Witz aus den vertauschten Rollen zwischen Erwachsenen und Kindern vermag „Wohne lieber ungewöhnlich“ aber nie so richtig produktiv zu machen. Wie ein Trommelfeuer prasseln die chaotischen Szenen auf den Zuseher ein, ohne Zwischentöne zu finden. Eine Kakophonie an Stimmen, überquellende Badeschaumberge und ein hektisch inszeniertes Ensemble scheinen die richtige Richtung für ihr Wohnexperiment erst zu suchen.
Der Film kann ihnen dabei nicht viel mit auf den Weg geben. Der Witz wirkt recht forciert und die Botschaft ein wenig seltsam. Fast ist man froh, wenn die Kamera wieder den etwas traurig wirkenden Bastien aus dem Chaos ausmacht. Dann heißt es durchschnaufen. Dass Bastien und die anderen Kinder altklug selbst den Ethnologen Lévi-Strauss zitieren, um Ordnung zu schaffen, ist natürlich als Parodie gedacht.