Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Gunnar Landsgesell · 03. Nov 2017 · Film

WEIT. Die Geschichte von einem Weg um die Welt.

In dreieinhalb Jahren ohne Flugzeug um den Globus: "Weit" ist ein verblüffendes Werk, das aus der abenteuerlichen, improvisiert wirkenden Weltreise eines jungen Paares aus Freiburg entstanden ist. Ein Film, der aufzeigt, wie die Welt anders als in vielen TV-Dokus erfahren werden kann. Eine Ode an die Menschheit.

Sie sind Richtung Osten losgezogen, um vom Westen wiederzukommen. Nach dreieinhalb Jahren kehrten Gwendolin Weisser und Patrick Allgaier nach Freiburg im Schwarzwald zurück. Dazwischen reisten sie rund um die Welt, ohne Flugzeug, ohne Eile, und ohne erkennbare Furcht vor dem, was da kommt. „Weit“ ist ein verblüffender Film, der keinerlei didaktischen Ballast mitschleppt, sondern von einer Haltung getragen ist, die jeder neuen menschlichen Begegnung, jeder Landschaft, allen Strapazen mit freundlicher Offenheit begegnet. Sie reisen mit LKW-Fahrern, die 40 Stunden ohne Schlaf durch die kasachische Steppe brausen und nach einer übersehenen Abzweigung schon mal 400 Kilometer in die falsche Richtung fahren; sie begegnen mongolischen Familien, die sich mangels Alternativen schon von Kleinkindalter fast ausschließlich vom Fleisch ihrer Tiere ernähren und sie werden von pakistanischen Polizisten, die sich um die beiden Reisenden sorgen, eingeladen, im Kommissariat zu übernachten.
Wo immer man sich auf dieser Tour gerade befindet, präsentiert sich die Welt als Ort, der einem lächelnd begegnet, einzig die Gesichter der Menschen ändern sich. Gwen und Patrick haben mit „Weit“ den Reisefilm zur einer Art federleichter Kunst erhoben. Sie machen einem deutlich, was der Unterschied zu all den TV-Dokumentationen ist, die gedreht werden, um dem Publikum etwas, um die Welt zu erklären. Die Bilder erhalten dann illustrativen Charakter, um einzulösen, was als Erzählung angekündigt wurde. Oftmals mithilfe zahlreicher Klischees. „Weit“ speist sich hingegen aus der ungeheuren Freiheit, alle Pläne loszulassen und sich zugleich ganz den Örtlichkeiten und ihren Bewohnern anzuvertrauen. Erzählerisch produziert das ein Gefühl der Kontingenz, die  fasziniert - man schwebt mit dem Paar durch Zeit und Raum. Nur in Vignetten lässt sich erahnen, was sich alles ereignet haben könnte. Da wird schon mal an einer Steinmauer mitgespachtelt oder ein Acker bearbeitet, werden Gastfamilien herzlichst umarmt, die man selbst gerade zwei Minuten zuvor kennengelernt hat. Das alles wirkt aber nicht flüchtig, sondern setzt sich mühelos zu einem Mosaik eines um sich greifenden Humanismus zusammen.
Eigentlich könnte schon die Frage, wie über drei Jahre Weltreise in 120 Minuten erzählt werden soll, jedem Cutter die Schweißperlen auf die Stirn treiben. „Weit“ löst das mit einer Montage von Vignetten, bei denen an den unwahrscheinlichsten Orten offenkundig immer das Verbindende im Vordergrund steht. Ein Film wie eine Einladung, die schlimmen Schlagzeilen aus den Zeitungen zu vergessen, hinauszugehen in die Welt und sich dabei fallen zu lassen. Selbst oder gerade dann, wenn ein LKW einmal einen Tag lang in einem Flussbett in einer gottverlassenen Gegend stecken bleibt.