Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Gunnar Landsgesell · 03. Aug 2018 · Film

Vom Ende einer Geschichte

Der notorische Misanthrop Tony erfährt vom Tod eines Freundes, in dessen Tagebuch er eine entscheidende Rolle spielt. Die Suche nach dem Buch führt ihn in seine eigene, wenig ruhmreiche Vergangenheit. Vertrackte Story, wenig inspiriert erzählt, mit hervorragendem Cast.

Womit Tony (Jim Broadbent) bei Familie und Freunden regelmäßig für Empörung sorgt, macht ihn für das Kinopublikum zur dankbaren Figur. Den netten Postler hat er noch nie zurückgegrüßt, seiner hochschwangeren Tochter begegnet er mit Sarkasmus, seiner ersten Freundin Veronica wünscht er das Allerschlechteste für ihre nachfolgende Beziehung und seine Ex-Ehefrau, eine Anwältin, muss sich nun Tonys gesammelte Lebensgeschichten anhören. Tony, das ist ein älterer Mann aus London, der die Kunden seines kleinen Shops für rare Fotoapparate lieber hinauskomplimentiert als sie zu beraten. Eines Tages erhält er eine Benachrichtigung, dass Veronicas Mutter ihm ein Tagebuch vermacht hat, das ein gemeinsamer Freund verfasst hatte. Schon bald fällt in diesem Film auf, dass Tony weniger vom Ableben des ehemaligen Freundes getroffen ist, als von der Sorge, des Tagebuchs habhaft zu werden. Tony wird nun von der verdrängten Vergangenheit eingeholt. Was da an Erinnerungen hochkommt ist kein Ruhmesblatt, eher eine Anleitung für schäbiges Benehmen. Trotz einer recht verschachtelten Geschichte mit einem ganzen Ensemble an Charakteren ist es die misanthropische Art Tonys, aus der eine Inszenierung ohne erkennbaren Elan ihre größte Aufmerksamkeit generiert.

Am Ende doch noch Ambivalenzen

Für seinen gewieften Roman „The Sense of an Ending“ (so auch der Originaltitel des Films) erhielt der britische Autor Julian Barnes im Jahr 2011 den renommierten Man Booker Prize. Regisseur Ritesh Batra weiß überraschend wenig mit der Exzentrik des Buches anzufangen. Ein Spezialist für freundlich erzählte Komödien wie „Lunchbox“, ordnet er die in Rückblenden erzählte, vertrackte Handlung zwar geschickt an, lässt in seinen kreuzbraven Bildern aber jeden Esprit vermissen. Immerhin zeugt „Vom Ende der Geschichte“ unfreiwillig davon, wie sehr ein guter Cast einen Film dennoch unverwechselbar machen kann: Jim Broadbent als Egomane am Rand zur Soziopathie, Freya Mavor und Charlotte Rampling als junge und alte erste Freundin Tonys, Harriet Walter als leidgeprüfte Ex-Frau, die zur Zuhörerin der Erinnerungen Tonys degradiert wird, und Sarah Mortimer einmal mehr in einer exzentrisch besetzten Rolle als Mutter Veronicas und erotische Projektionsfigur im Leben des jungen Tony. Zweifellos blieb in dieser Inszenierung einiges an Zwischentönen des Romans auf der Strecke. Der Blick auf Tony beziehungsweise der Blick Tonys auf sich selbst übertüncht nahezu sämtliches anderes Geschehen. Während die Handlung sich einem dramatischen Höhepunkt entgegenwindet, sucht Ritesh Batra diesen vor allem in der Zerrissenheit seines bärbeißigen Protagonisten. Auffällig, wie ehrlich Tony während seiner Lebensbeichte stets über seine Fehler spricht. Das nimmt einen für diese Figur wiederum ein, womit in „Vom Ende einer Geschichte“ doch noch für Ambivalenz gesorgt ist.