Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Gunnar Landsgesell · 18. Mai 2016 · Film

The Witch

Eine Familie aus den New England States wird Mitte des 17. Jahrhunderts der Stadt verwiesen und versucht in den Wäldern, eine Landwirtschaft aufzubauen. Mit der Missernte macht sich auch ein tiefes Mißtrauen breit: Ist jemand in dieser Familie des Teufels, der an derem Untergang arbeitet? Eine überraschende Inszenierung an der Schnittstelle von Naturalismus und Horror, der dem Genre frisches Blut zuführt.

Wenn eine mehrköpfige Familie just in der Abenddämmerung aus der Stadt in Richtung eines dunklen Waldgebietes verwiesen wird, dann hat das nichts Gutes zu bedeuten. Zumal wir es hier mit dem Bewusstseinsstand des frühen 17. Jahrhundert zu tun haben, der Geistern, Waldhexen und dem Leibhaftigen selbst eine fixe Daseinsberechtigung im Hiersein gibt. Konsequenterweise sägt „The Witch“ schon bald an der Einheit dieser Familie: Der Vater, der sich mit Frau und vier Kindern als Bauer in der Abgeschiedenheit selbstständig machen muss, erntet vor allem Misserfolge: das Korn wird von Fäule befallen, die Hasen verlachen den ungeschickten Jäger im Wald. Mit dem Hunger breitet sich der Zwist in der Familie aus. Der halbwüchsige Sohn will im Wald verbotenerweise selbst für Nahrung sorgen, während die pubertierende Tochter ihre Körperlichkeit spielerisch auslotet. Das Misstrauen, das nach und nach alle in dieser Familie befällt, ist eine Plage für sich. Die Regie von Robert Eggers macht sich nun geschickt und vielfach doppelbödig daran, um den einmal gesäten Zweifel, dass nicht die Natur, sondern vielleicht der Teufel selbst dieser Familie übel mitspielt, auch im Publikum zu ernten.

Hexe als Projektion?


„The Witch - A New-England Folktale" ist eine interessante Verbindung aus Naturalismus und Gruselfilm, die sich ebenso akribisch der Lebensrealität der New England Staaten in den 1630er-Jahren verpflichtet fühlt, wie sie auf bestimmten Genre-Normen des zeitgenössischen Horrorfilms nicht verzichten will. Als der Bub im Wald verschwindet, wird auch die eigene Wahrnehmung unscharf. Stakkatohafte Bilder eines Hexenrituals bringen keine Gewissheit, ob die Warnungen des Vaters vor dem Wald nun auf schreckliche Weise ihre Berechtigung gefunden haben. Oder, ob wir vielmehr die alptraumhaften Ängste von Thomasin (Anya Taylor-Joy), der Schwester des Buben, miterleben müssen. Der jungen Thomasin kommt eine Schlüsselrolle im Film zu: Ihre erwachende Sexualität scheint sie zur idealen Projektionsfläche der bigotten Familie zu machen. Ist sie eine Hexe im übertragenen Sinn einer Moralität, oder ist der schwarze Geißbock, vor dessen wilden Attacken sich die Bauernleute hüten müssen, ihr Verbündeter am Hexensabbat? „The Witch“ gilt als eine Entdeckung, die das Horror-Genre mit frischem Blut versorgt. Zurecht.