Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Gunnar Landsgesell · 23. Feb 2018 · Film

Die Verlegerin

Tom Hanks und Meryl Streep an der Spitze der Washington Post, als es darum geht, die Machenschaften der US-Regierung im Vietnam-Krieg aufzudecken. Steven Spielberg lässt das Zeitungspapier knistern und feiert eine Epoche ab, in der Zeitungen ihre Macht gegen die Widerstände des Staates erkämpften.

US-Verteidigungsminister Robert McNamara gilt als der Architekt des Vietnam-Krieges, in dem die US-Army bekanntlich mehrere Massaker an der Zivilbevölkerung verübte. McNamara begegnet einem zu Beginn dieses Films auf dem Rückflug aus Vietnam, auf dem die dortige Lage diskutiert wird. Und Regisseur Steven Spielberg lässt keinen Zweifel daran, dass dieser McNamara kein Guter ist. Übereifrig und kontrollversessen setzt er Journalisten unter Druck und betrachtet die Wahrheit als Geheimsache. Dementsprechend sollten Berichte über das tatsächliche Kriegsgeschehen, die so genannten Pentagon Papers, jahrelang unter Beschluss gehalten werden. Ein Regierungsberater möchte sich nicht länger schuldig machen und spielt die brisanten Akten schließlich der New York Times und der Washington Post zu. Das ist der Hintergrund von Steven Spielbergs neuem Film mit Originaltitel „The Post“, der sich aber gar nicht so sehr für die machtpolitischen Zusammenhänge interessiert. Spielbergs Blick gilt vielmehr einer Frau, die er in dieser frühen Glanzstunde des Investigativ-Journalismus zum amorphen Mittelpunkt des Geschehens macht. Katharine Graham (Meryl Streep) wurde, wir befinden uns in den späten Sechziger Jahren, gerade zur Herausgeberin der "Washington Post" und Spielberg zeichnet Graham vornehmlich als unerfahrene, unsichere Figur, die sich gegen eine Riege von Anzugträgern aus der Redaktion behaupten muss. In Graham findet Spielberg eine Figur, die er mit den dramaturgischen Kniffen, wie sie Underdogs zu eigen sind, aufladen kann, um das siegreiche Finale mit umso größerem Pathos ausfallen zu lassen. Grahams Gegenspieler, mehrfach in komödiantisch inszenierten duell-artigen Szenen aufbereitet, ist Chefredakteur Ben Bradlee, dargestellt von einem verkniffenen Tom Hanks. An Erfahrung und Abgebrühtheit weit überlegen, muss er vor der Position Grahams als Herausgeberin letztlich doch zurückstecken.

Amorphes Zentrum

Das eigentliche Dilemma, von dem „The Post“ handeln soll, ist jedoch die Frage, wie Zeitungsredaktionen ihre Unabhängigkeit verstehen. In Spielbergs Geschichtslektion scheint die Distanz der Zeitungsherausgeberin zur Staatsmacht nicht allzu groß. Streep kiefelt daran, dass sie mit Bob McNamara eine Freundschaft verbindet, so wie auch zu John F. Kennedy und anderen Politikern, und diesen mit den der Redaktion zugespielten Dokumenten gewissermaßen ans Messer liefern soll. Dass die Washington Post, damals noch ein Regionalblatt und soeben an die Börse gegangen, dabei auch ökonomisch einiges riskiert, wird schließlich zur Zerreißprobe im Film stilisiert. Einmal mehr werden in einem Film von Spielberg aktuelle Bezüge sichtbar. Die Frage, wie sich Medien um die Wahrheit bemühen, in Zeiten, in denen diese auch alternativ definiert werden kann, ist offensichtlich. Zugleich ist es - wie zuletzt "Bridge of Spies" aber auch einer dieser Stoffe, in denen Spielberg jenes Pathos sucht, das seine Inszenierungen ausmacht, oder, man könnte auch sagen, "auszeichnet". Da geht es vor allem um den Moment, in dem sich Gefühle verdichten: wenn Graham sich zu eigenen Entscheidungen aufschwingt, wenn ein Praktikant der Post bei der New York Times schnüffelt und - wieder zurück - sein Ergebnis verkündet, oder wenn ein unwichtiger Redaktionsgehilfe eine Schachtel mit Papier überreicht bekommt, die sich danach als Teil der Pentagon Papers herausstellen. In den von Geschäftigkeit und Wichtigkeit getränkten Redaktionsräumlichkeiten von damals findet Spielberg einen idealen Ort, um von solchen "bedeutenden" Momenten zu erzählen. Kein Zufall, dass sich am Ende der Blick der Kamera weitet auf die Druckerei, in der endlose Zeitungsstöße durch die Maschinen geschossen werden. Nostalgie ist der Stoff, von dem Spielbergs Filme neben dem Pathos immer auch handeln.