Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Gunnar Landsgesell · 22. Sep 2016 · Film

The Magnificent Seven

Ein Remake von John Sturges' Western "The Magnificent Seven" (1960) klingt aufs Erste etwas seltsam. Braucht man das wirklich? Doch Antoine Fuquas Neuinterpretation zieht einen bald in seinen Bann. Der Wilde Westen findet hier und heute statt, als Spiel der Möglichkeiten in einer mutlosen Welt. Mit Denzel Washington, Chris Pratt, Ethan Hawke, Byung-hun Lee, Haley Bennett.

Es gibt Remakes und Remakes. Solche, die als schlichte Hommagen die Oberflächen ihrer geehrten Filmwerke abtasten, wie die Filme von Tarantino. Und solche, die die Ontologie des Kinos als zeitgebundenen, hochlebendigen Ausdruck verstehen. So funktioniert Antoine Fuquas „The Magnificent Seven“. Gleichsam zwanglos fließen hier die Ängste, die Nöte und die Ethik bedrängter Menschen von damals und heute zusammen. Fuqua („Training Day“, „King Arthur“) versteht es, die Fabel der sieben Pistoleros, die aus dem gesetzlosen Zustand des Wilden Westens ein neues, für alle Stadtbewohner nutzbares Selbstverständnis im Hier und Jetzt neuerlich zu erzählen – unterstützt unterspielten Humor Denzel Washingtons, aber gänzlich ohne postmoderne Ironie-Einlagen.

The Real West: colorblind, tough as nails

John Sturges 1960 entstandenes Remake von Akira Kurosawas „Die Sieben Samurai“ (1954) ist so wie dessen Vorlage ein Meilenstein des Kinos, was die Moral der Figuren, die Ökonomie filmischer Zeit, die Ästhetik und einiges anderes betrifft. Letztlich war natürlich auch Sturges Verfilmung Ausdruck ihrer Zeit, die Antoine Fuqua in einem Interview in etwa so beschreibt: Ich wuchs mit Western auf und ich wollte der Cowboy sein, aber die waren immer weiß. Die Native Americans waren die Wilden, Frauen das Objekt, Mexikaner immer Arbeiter. Aber das war nicht der Westen. Jeder der sich dafür interessiert, weiß, dass hier Menschen aus der ganzen Welt zusammentrafen. Wer dort lebte, musste so zäh wie Leder sein, das war die Qualität, um die es ging.
In seinem Remake ging es Fuqua darum, diese weißen Hollywood-Ethnografien zu überwinden und eine Welt zu zeigen, die unserer ähnelt: divers, interessant, vielfältig. Fuqua setzt Denzel Washington als Nordstaatler-Lieutenant als enigmatisches Zentrum des Films statt Yul Brunner ein und filmt ihn, oft im Halbschatten seiner Kappe, mit dem verwegen geschnittenen Bart, oft kaum erkennbar, als ungemein starke, unbeirrbare Kraft, die keineswegs symbolhaft inszeniert ist – sich aber dennoch symbolisch für die inneren Widersprüche dieser Geschichte lesen lassen, die Fuqua genau so stehen lässt: Nord- und Südstaatler, weiße Skalpjäger und Native Americans, Texaner und Mexikaner, Frauen und Männer, Gute und Böse, Starke und Schwache. In einer von vielen geradezu liebevoll inszenierten Szenen heißt es ermunternd, an die Stadtbewohner gerichtet, Es ist alles Gut. Doch ins Bild gerückt wird zu diesen Worten nicht etwa eine „schützenswerte“ Mutter, sondern Ethan Hawke, einen der Glorreichen Sieben, der, wie man erst später erfahren wird, ein gewisses Problem hat.

Fuqua ist ein Spezialist für harte Aktion mit einem guten Sinn für die Stimmungen seiner Figuren. In „The Magnificent Seven“ versteht er es, epische Breite mit flüssigen Schnitten zu verbinden und darin immer wieder zum Kern seiner Akteure vorzustoßen. Freilich gelingt das nicht bei allen, aber Chris Pratt, Washington, Ethan Hawke, Vincent D’Onofrio und Haley Bennett als junge Witwe und treibende Kraft der Städter, die schließlich ebenfalls zur Waffe greift, beginnen als identifizierbare Charaktere zweifelsohne zu leuchten. Die Männer und Frauen, denen sie neuen Mut einimpfen wollen, werden von einem nicht ganz so diabolisch dreinblickenden Peter Sarsgaard bedroht. Er ist der Mann, der in einer Quasi-Neuinterpretation als skrupelloser Immobilien-Hai auftritt und die Bewohner mit Gewalt aus ihren Holzhäusern auskaufen will. Sarsgaard als Fratze des Kapitalismus zu fassen zeugt zumindest vom Versuch einer Erdung dieser Geschichte, in der als Pendant dazu die Samaurai-ähnliche Selbstaufopferung der sieben Desperados gestellt wird. Fuqua ist es sichtlich daran gelegen, die Ambivalenzen des Stoffes aufrecht zu erhalten: die Männner, allesamt keine Unschuldslämmer und zum Teil Mörder, holen das Beste aus sich heraus. Das wird recht pathosfrei gezeigt, ist aber als Vexierbild zu verstehen: ganz so, wie die USA sich gerne selbst sehen möchten. Denn dann, am Ende, wird die schwarz ausgebrannte Kirche zum Schauplatz des Neubeginns. Wie heißt es im Film: “What we lost in the fire we'll find in the ashes.”