Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Gunnar Landsgesell · 28. Jän 2016 · Film

The Hatetful Eight

Kurz nach dem Sezessionskrieg treffen acht wunderliche Personen aufeinander, die eine offene Rechnung zu haben scheinen. Quentin Tarantino zitiert in einer teils langwierigen, mäandernden Dramaturgie wieder aus der Filmgeschichte und kommt dabei kaum zum Punkt - es sei denn, es geht um Gewalt.

Quentin Tarantino würde diesen Text natürlich nicht zu Ende lesen, weil bereits im ersten Satz geschrieben steht, dass er – zumindest als Regisseur –  „violence obsessed“ ist, also von Gewalt auf redundante Weise fasziniert. In Interviews darauf angesprochen, wird Tarantino schnell aufbrausend, Youtube-Videos belegen, dass der größte „Spaßfaktor“, der Tarantinos Filme zu bieten hat, einfach nicht verhandelbar ist. Die jüngste Arbeit „The Hateful Eight“ steht geradezu programmatisch im Zeichen einer Gewalt, die sich ganz langsam durch die Handlung treibt, bis sie jeden der Charaktere aufgefressen hat. Inmitten einer Schneelandschaft, herrlich vom Retro-Italo-Western-Score des 87-jährigen Ennio Morricone untermalt, treffen zwei Kopfgeldjäger (Samuel Jackson, Kurt Russell) in einer Kutsche aufeinander. Russell hat die meiste Zeit des Films eine Frau (Jennifer Jason Leigh) an sich gefesselt, die er in einer Stadt abliefern will, wo sie gehenkt werden soll. Das Kopfgeld für die Frau will er sich von niemandem streitig machen lassen.

Aus dieser vordergründigen Konstellation entzündet Tarantino einen lange schwelenden, mäandernden Konflikt, der einerseits den Menschen ganz banal in die Nähe der Verschlagenheit von Hyänen bringt, andererseits aber die Zerrissenheit der US-Gesellschaft nach dem Sezessionskrieg sichtbar machen soll. Während der erste Programmpunkt ganz gut funktioniert, setzt sich Tarantinos Gesellschaftsanalyse aus großteils geschwätzigen Monologen zusammen, die kaum je eine innere und vor allem auch inhaltliche Spannung zu den hier versammelten Figuren schaffen. Sie sind allesamt zu flach, um über ihre von einem abgefeimten Witz getriebenen Momentaufnahmen hinauszukommen.

Das Problem liegt aber wohl schon in der Anlage und Rezension der Tarantino-Filme. Was bei „Pulp“, also bei Groschenromanen, niemand einfordern würde, eine tiefergehende Bearbeitung des selbst gestellten Themas, schleppt Tarantino mit jedem Film wie überschüssiges Gepäck mit sich herum. Wenn es in „The Hateful Eight“ um Geschichtsinterpretationen zwischen Nord- und Südstaatlern geht (Sam Jackson ist ein Ex-Unions-Soldat mit dubioser Vergangenheit), dann wirkt das so aufgesetzt, als brauche es für den nächsten Gewaltausbruch einfach eine dramaturgische Erklärung. In dieser „falschen“ gewaltorientierten Fokussierung des Drehbuchs liegt wohl auch die biographische Unbeschriebenheit dieser Figuren, für die man als Zuseher kaum mehr Interesse aufbringt als das Interesse, das man für die Schauspieler hat, die sie verkörpern. Hass auf die Anderen als größte Triebfeder ist eine Idee, in der dramaturgisch gesehen sämtliche Figuren nivelliert werden. Das hat weniger mit einem sich zurücknehmenden Autor Tarantino zu tun als mit der Lust, dass sich am Ende alle die Schädel einschlagen mögen. Ein Film, der aus der Zeit gefallen ist, eine filmhistorische Zitatesammlung für Nerds, in der seltsamerweise auch ein Christoph-Waltz-Imitator vorkommt, der so wirkt, als hätte ihn Tarantino selbst als Zitat eingebaut – aus seiner eigenen Arbeit.