"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Gunnar Landsgesell · 23. Jul 2015 · Film

Taxi Teheran

Weil Jafar Panahi mit einem Arbeitsverbot belegt ist, fährt der iranische Regisseur ("Der Kreis") nun Taxi. Nicht ganz zufällig filmen drei Mini-Kameras die ketzerischen Dialoge der Fahrgäste. Ein Projekt, das zwischen poetischer Leichtigkeit und einem wirklichkeitsgetränkten Pessimismus seine Richtung sucht.

Es ist nicht leicht, eine Rezension über einen Film des iranischen Regisseurs Jafar Panahi nicht mit dessen Person zu beginnen. Aktuell ist dieser engagierte Filmemacher mit 20 Jahren Arbeitsverbot belegt und zu mehreren Jahren Haft verurteilt, das Verfahren ist in der Schwebe. Was macht Panahi? Er setzt sich in ein Taxi und fährt mit äußerster Gelassenheit quer durch Teheran, während die drei fix montierten Mini-Kameras an der Windschutzscheibe seine Fahrgäste und ihn filmen. Damit erübrigen sich Regieanweisungen, und auch die durchwegs gesprächs- und (politisch) diskursfreudigen Mitfahrer sind alle ganz reguläre Fahrgäste, wie es im Vorspann des Films heißt. Selbstschutz sicherlich, denn die Provokation und der Mut, den Panahi hier beweist, im öffentlichen Raum zu filmen und Inhalte wie Menschenrechte oder die Filmzensur durch seine Nichte verhandeln zu lassen, während ihm selbst das berüchtigte Evin-Gefängnis (erneut) droht, sind beachtlich.

Ein Taxi auf dem Prüfstand


Auch wenn „Taxi“ einige skurrile Episoden mit seinen Fahrgästen einsammelt, ist dieser Film an der Schnittstelle zwischen Spielfilm und Dokumentation eine glasklare Abrechnung mit dem System des velayat-e-faqih, also dem islamischen Staat, wie Khomeini ihn der parlamentarischen Demokratie im Iran übergestülpt hat. Kein Zufall also, dass auch die Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh (erhielt mit Panahi den Sacharov-Preis) zusteigt und ein Gespräch über politische Gefangene beginnt. Panahi riskiert hier einiges, das kann man nicht überbewerten. Denn auch wenn Berlinale-Direktor Dieter Kosslick Panahi ostentativ in die Jury einlud und dessen Stuhl leer ließ, und auch wenn „Taxi“ den Goldenen Bären erhielt, wird das die iranische Justiz nicht beeinflussen. Panahi, der mit jedem seiner Filme das System herausfordert – in „Offside“ (2006) wollen Frauen das für sie verbotene Fußballstadion betreten – ist mit „Taxi“ nun ganz bei sich angekommen. Verständlicherweise. Nicht nur, dass er selbst als Filmemacher „erkannt“ wird, etwa von einem Mann, der illegal DVDs verkauft. – Fast alle Gespräche in dieser Diskurskammer auf vier Rädern wirken wie eine Reflexion auf die Situation von Panahi selbst. Es geht um den Umgang mit „unzeigbaren Filmen“, die der islamischen Revolution etwa zu pessimistisch erscheinen, oder auch um die Frage, ob Gerichtsurteile im Iran nicht zu milde sind. Aufhängen! schlägt ein Mann vor, bevor er aussteigt. Dass Panahi den Großteil der Leute, die wohl Schauspieler sind, einem Risiko aussetzt, dieses unangenehme Gefühl wird man beim Betrachten der Bilder nicht los. Besonders im Fall der – echten? – Nichte von Panahi selbst. Dass der Film, der zwischen einer gewissen Spannung und thematischer Konstruiertheit schwankt, keine Doku ist, wird aber auch striktesten Mullah in der heiligen Stadt Ghom klar sein. Insofern haftet diesem Filmprojekt eine Faszination an, die sich von den Produktionszusammenhängen nicht trennen lässt. Ungefähr zeitgleich wurde im Iran auch noch ein zweiter Film veröffentlicht, der ebenfalls einen Taxifahrer zum Protagonisten hat und seine Handlung vor allem im Auto entfaltet. Anders als in Panahis „Taxi“ wird in „Emrouz / Today“ von Reza Mirkarimi der Taxifahrer aber nicht zum Zentrum einer opponierenden Haltung, sondern bleibt eine durchwegs enigmatische, erratische Figur, die fremde Schuld wie ein Shaheed, ein Märtyrer, schweigend auf sich nimmt: der Taxler bringt eine von ihrem Ehemann schwer misshandelte, schwangere Frau in ein Spital und klärt die Ärzte nicht auf, dass er selbst nicht deren Ehemann ist. Eine ebenso erschütternde wie distanzierte Form der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen wie in „Emrouz“ ist aber Jafar Panahi nicht vorbehalten. Er scheint sich mit seinen Filmen trotz Arbeitsverbots für eine offensive Gangart entschieden zu haben – ein Stück des Weges kann man mit ihm gehen, oder fahren, wie in diesem Fall.