Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Gunnar Landsgesell · 04. Feb 2016 · Film

Sture Böcke / Hrutar

Ein jahrzehntelanger Bruderzwist zwischen zwei Schafzüchtern in Island gerät in eine neue Phase, als eine Epidemie unter den geliebten Tieren droht. Kooperation oder erbitterte Konkurrenz? "Hrutar" ist eine Filmperle: ohne Anstrengung erzählt, von grotesker Komik, mit bestechendem Sinn für die Stimmung zweier Eigenbrötler, die nur eines lieben: ihre Schafe.

Dass in Island nicht viel gesprochen wird, kann man bei diesem Film nicht behaupten. Die Ansprache gilt eben den Schafen, geradezu zärtlich wird der Schafbock gelobt, dass er, festgebunden auf der Ladefläche eines Quads (vierrädriges Motorrad) so vertrauensvoll die Fahrt ausgehalten hat. Kein Wunder, in „Sture Böcke“ (Original: „Hrutar“) haben die beiden Brüder Gummi (Sigurdur Sigurjonsson) und sein älterer Bruder Kiddi (Theodor Juliusson) sich seit Jahrzehnten nichts zu sagen. Obwohl sie Haus an Haus in einer weitflächigen Weidelandschaft wohnen, begegnen sich ihre Blicke nicht. Warum, das weiß natürlich kein Mensch mehr, hier geht es um Haltung – und Prinzipien. Die bärtigen, knochigen Typen, wunderliche Charaktere und mit zwei bekannten isländischen Schauspielern eindrücklich besetzt, werden von Autor/Regisseur Grimur Hakonarson mit ausgesprochenem Feinsinn für die groteske Komik, die in dieser brüderlichen Tragödie steckt, inszeniert. Genau darin liegt auch die Schönheit und Größe von „Hrutar“: Hakonarson schlängelt seine Geschichte einer Feindschaft, die so kalt wie das ewige Eis ist, an sämtlichen naheliegenden Situationen eines klassischen Bruderzwists vorbei und setzt den Zuseher einfach zwischen die Fronten der beiden einzelgängerischen Schafzüchter. Als Gummi bei einem Bock von Kiddi seltsame Symptome bemerkt, lässt er den Veterinär holen. Der Verdacht der hochansteckenden Traberkrankheit, die epidemisch wirkt, führt zu neuen Zerwürfnissen. Mit der drohenden Vernichtung des gesamten Herdenbestands im Tal gerät der Abnützungskrieg der beiden Farmer in eine neue Phase. Im Film fällt die Kooperation, die nun naheläge, allerdings paradox aus – Gewehrschüsse durch das Küchenfenster zeigen, dass bei den Brüdern nun plötzlich wieder Emotionen erwachen.

Großer Film von wunderbarer Bescheidenheit


„Hrutar“ ist ein großer Film von wunderbarer Bescheidenheit, der so selbstverständlich und absichtslos erzählt wirkt, dass man gar nicht merkt, wie sehr man selbst in diese eigentlich ereignisarme Landschaft mit dem Brüderpaar eintaucht. Der norwegische Kameramann Sturla Brandth Groven sucht immer wieder aus deutlicher räumlicher Distanz den Blick auf die beiden Häuschen, die da drüben über dieser sanften Ebene liegen und zeigen, wie klein und „unbedeutend“ dieses Dramolette ist, das sich hier mit dem großem Ernst dieser beiden Figuren entfaltet. Regisseur Hakonarson findet ein geradezu natürlich wirkendes Erzähltempo, das einem weder die Kontemplation der Natur aufzuerlegen versucht, noch ein forciertes Tempo sucht. Dass das vierzigjährige Schweigen von Gummi und Kiddi endet, ist natürlich klar. Allerdings spart das Drehbuch zu erwartende süßliche Versöhnungsszenen vollkommen aus. Um am Ende ein umso schöneres Bild für eine Annäherung zu finden, in der der Eigensinn keinesfalls überwunden ist, aber ein stilles Einverständnis möglich erscheint. Dass das über die Liebe zu den Schafen läuft, muss dabei nicht erwähnt werden.

 

Im Kino Rio in Feldkirch spielen sie die "Sturen Böcke" am 12./13./15./16./17.2., im Metrokino Bregenz am 25./27.2. und am Spielboden in Dornbirn am 27.2. und 4.3..