Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Gunnar Landsgesell · 27. Jän 2017 · Film

Split

Ein Horror-Psychothriller von M. Night Shyamalan: Ein Mann mit Persönlichkeitsstörung entführt drei junge Frauen in einen Keller. Doch es kommt anders, als man erwarten würde. Eine Verstörung.

Es wäre nicht M. Night Shyamalan, wäre der abgeschmackte Stoff dieses Films das, wonach er klingt: Drei junge Frauen werden von einem psychisch kranken Mann entführt und in einen Keller gesperrt. Unter der Federführung von Shyamalan wird daraus ein schönes Beispiel dafür, wie der Regisseur von Filmen wie „The Sixth Sense“ und „The Visit“ mit Sub-Genres umgeht. Shyamalan interessiert sich nicht weiter für den Body-Horror von Slasherfilmen, sondern richtet den Blick neu aus. „Split“ nimmt, wie der Titel verrät, von einer Krankheit seinen Ausgang: Dennis (James McAvoy) leidet an DIS, einer multiplen Persönlichkeitsstörung, die sich im konkreten Fall in 23 verschiedenen Personen äußert. Eine von ihnen muss wohl beschlossen haben, die jungen Frauen zu entführen. Der Horror kommt in Raten. Mit jeder Begegnung des Mannes mit seinen Entführungsopfern in den verwinkelten unterirdischen Räumen tritt diesen eine andere Figur entgegen: Dem gewalttätigen Dennis folgt eine aufgeräumt wirkende Frau, ein unsicherer junger Bursche und andere Gestalten aus dem mentalen Kaleidoskop von Dennis.
Der erklärte Hitchcock-Anhänger Shyamalan gibt damit nicht nur den drei gekidnappten Schülerinnen (Anya Taylor-Joy aus „The Witch“, Jessica Sula und Haley Lu Richardson) Raum dafür, Strategien für ein Überleben zu entwickeln, sondern spielt zugleich mit den Erwartungen des Publikums. Ein interessanter Ansatz, der mit der Unwägbarkeit jeder dieser Situationen rasch wechselnde Gefühlslagen zu produzieren vermag, wenngleich "Split" sich nie ganz von der Konstruiertheit seines Plots zu lösen vermag. 

Grenzen des Menschenmöglichen

Zwischendurch immer wieder ein Blick von Oben auf das Geschehen: Eine Psychologin (Betty Buckley), bei der Dennis offenbar seit Jahren in Behandlung ist, glaubt lange an die Tools ihrer Behandlungsmethode und damit an die Kontrolle ihres Patienten. Erst als diese medizinisch motivierte Gewissheit von der Wirklichkeit überrollt wird, packt die Ärztin gewissermaßen das Entsetzen. In einer Art Ohnmachtsgefühl stößt sie hervor, es müsse eine Grenze dafür geben, wozu ein Mensch im Stande ist, doch da sind die Kräfte von Dennis schon längst freigesetzt - und die Psychologie hat das Nachsehen.
Der Satz der Ärztin lässt sich vor dem Hintergrund von Shyamalans Filmen wie „Unbreakable“ oder „The Visit“ jedenfalls auf zweifache Weise lesen. Die Einsicht, um die es in diesen Filmen geht, hat immer auch mit dem Glauben des Menschen an sich und seine Fähigkeiten zu tun. Ist dieser Glaube stark genug, können daraus Kräfte entstehen, die die Logik außer Kraft setzen, Helden, die über sich hinauswachsen bis in übersinnliche Sphären, sind bei Shyamalan keine unbekannte Größe. 
In diesem Sinn erwächst auch "Split" zu einer Geschichte, die die Grenze zum Fantastischen überschreitet. Doch Achtung, auch wenn in "Split" nette Anekdoten kursieren wie von jenem DIS-Patienten, der blind war, jedoch durch eine der Persönlichkeiten sehen konnte, geht es hier letztlich um die Einhegung des Bösen. Sobald die Adern angestrengt durch die Haut des Körpers schwellen, ist psychologischer Rat teuer. Da können leicht Gitterstäbe verbogen werden, das eigene Gefängnis verlässt hier aber niemand.