„Kaffee und Zucker?“ Dokumentartheater im TAK in Liechtenstein © Pablo Hassmann
Gunnar Landsgesell · 19. Okt 2017 · Film

Schneemann

Eine grausame Mordserie an Müttern unehelicher Kinder in Norwegen führt einen Polizisten (Michael Fassbender) und seine Kollegin (Rebecca Ferguson) auf Spuren im Schnee. Der Mörder leidet offenbar an einem Kindheitstrauma, das hier ausagiert wird. Atmosphärisch reizvoll, inhaltlich disparat.

Harry Holen (Michael Fassbender) ist ein profilierter Polizist in Oslo, der innerlich nicht zur Ruhe kommt. Er wacht im Holzhäuschen eines verschneiten Kinderspielplatzes auf, die Flasche fällt ihm aus der Hand. Seinen Sohn und seine Frau sieht er nur selten, im Büro scheint er angezählt. Über Jahre waren in Norwegen immer wieder Frauen verschwunden, die Fälle wurden nie aufgeklärt. Als die Mutter eines kleinen Mädchens verschwindet, erhält auch Holen wieder einen Auftrag. Gemeinsam mit der jungen Kollegin Katrine (Rebecca Ferguson) sucht er jene Schattenfigur, die am Tatort jeweils einen Schneemann hinterlässt. Einziger Anhaltspunkt für die mutmaßliche Mordserie: die Frauen sind Mütter unehelicher Kinder.

Trübe Aussichten


Nordische Filmkrimis sind so etwas wie eine Marke geworden, der sich auch Regisseur Thomas Alfredson („Let The Right One In“) nicht entziehen kann: Notorisch verschneite Landschaften, brutale Gewaltakte, kaputte Familien, eine Welt, so dämmrig wie das Licht, in der sie ins Bild gesetzt wird. „Schneemann“, nach einem Roman des norwegischen Bestseller-Autors Jo Nesbø, setzt durchwegs auf solche „tradierte“ Versatzstücke, verbunden mit einem tempomäßig forcierten Schnitt von Thelma Schoonmaker, bekannt als langjährige Cutterin von Martin Scorsese. Grundsätzlich versteht „Schneemann“ mit seiner abgewrackten Hauptfigur zu interessieren: Auch wenn Michael Fassbenders körperliche Athletik immer wieder durchscheint, erinnert seine Figur an jene Rolle, die Al Pacino vor Jahren als somnambulen Kommissar in „Insomnia“ gezeigt hat. Während sich die Verhältnisse, kriminalistisch gesehen, zunehmend verwirren, und neue, dubiose Akteure auf den Plan treten, wird der Blick dadurch nicht klarer. Ein wenig ergeht es einem wie Harry und seiner Kollegin Katrine, die beide nicht sonderlich kooperieren: Man beobachtet dieses Mosaik, dessen Teile sich beziehungslos anhäufen, ohne über die gewinnend düstere Atmosphäre hinaus eine Erkenntnis zu beziehen. Immerhin ist der Beginn von „Schneemann“ als eine Art Initialzündung für die folgende Mordserie wesentlich produktiver als deren Auflösung hinterher. Ein kurz angerissener Rückblick in eine dysfunktionale, gewaltbesetzte Familie bringt einen unglücklichen Jungen hervor, der das Zeug für einen späteren Mörder hätte, wie er hier seine Spuren durch den Schnee legt. Mit Charlotte Gainsbourg als getrennt lebender Ehefrau von Harry Holen, mit Val Kilmer und Chloë Sevigny in einem bizarren Auftritt als Zwillingschwestern finden sich zudem einige weitere prominente Besetzungen in diesem Thriller.