Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Gunnar Landsgesell · 03. Okt 2013 · Film

Rush

Der Bonvivant und der Soziopath: so begegnen sich die Rennfahrerlegenden James Hunt und Niki Lauda in einem kurzweiligen Schlagabtausch, der keine echte Heldengeschichte bietet, in der Person von Daniel Brühl aber eine sehenswerte Lauda-Persiflage.

Nach „Frost/Nixon“ hat der teils in Wien lebende britische Drehbuchautor Peter Morgan sich erneut ein Duell als Filmvorlage ausgesucht. Eine historische, sportliche Gegnerschaft zwischen Niki Lauda und seinem britischen Formel-1-Rivalen James Hunt, an der sich erneut Morgans Vorliebe für Duelle als instruktive Form der Charakterbeschreibung zeigt: Wenn zwei aneinander krachen, muss nicht besonders tief nach Gefühlen geschürft werden. Mit dieser Reibungwärme lassen sich recht kurzweilig überdeutliche Figuren produzieren: Niki Lauda, der Soziopath und Tüftler, den das Geräusch einer Radaufhängung mehr interessiert als die Frau, die im Auto neben ihm sitzt. James Hunt, der Partyfreund und Frauenheld, der seinen Lebenssinn vor allem in der Pose zu sehen scheint. Das bringt – ungewöhnlich genug – zwar keinen Sympathieträger in „Rush“ ein, dafür aber den bewährten Witz zweier notorischer Gegensätze. Hunt mimt das sarkastische Großmaul, das gegen eine scheinbar emotionslose Gummi-, oder sollte man sagen, Stahlwand namens Lauda irgendwie vergeblich anrennt. Vor Zoten scheut sich Morgan nicht, etwa wenn Hunt zu Lauda nach dessen fast tödlichem Unfall am Nürburgring und einiger drastisch inszenierten Krankenhausszenen meint: Sie sind der einzige Mensch, dessen Gesicht nach solchen Verbrennungen besser aussieht als vorher. Tatsächlich stattet der Drehbuchautor die sportlichen Kontrahenten (und real angeblichen Freunde) mit einer erstaunlichen Portion an Verachtung und Gehässigkeit auf, wobei sich Morgan als erstklassiger Manipulator der Gefühle seines Publikums erweist. Er rührt oder irritiert sein Publikum mit recht wirksamen Momenten, die aber im Nachhinein wie Seifenblasen zerplatzen. Fast entsteht der Eindruck, Morgan hält es eher mit Hunt als mit Lauda, wobei auch Witz und Pose viel Akribie verlangen. Mit Ron Howard (Da Vinci Code; Frost/Nixon) wurde für diese Geschichte jedenfalls der richtige Regisseur gefunden. Er inszeniert auf den Punkt genau, geht keinerlei Umwege, legt auf sentimentale Stimmungen oder auch Heroentum keinen Wert.

Rattengesichtiger Brühl

So manche Szene wirkt unter seiner Regie aber recht schnoddrig, was zum Budget dieses Films und den wohl teuren Produktionswerten (Boliden-Nachbauten, Rennsituationen, Schauplätze) einen eigenartigen Widerspruch produziert. Auch Daniel Brühl als Niki Lauda trägt zu diesem Eindruck bei. In einer Mischung aus Ulk und Ernsthaftigkeit zeigt er vom ersten Moment an, dass er bereit ist, Hunts Verunglimpfung von Lauda als „rat face“ bis zur letzten Runde zu entsprechen. Wie Brühl sein Gesicht rattenmäßig spitzt und seine Gegner, also praktisch sein gesamtes soziales Umfeld, mit Argwohn und List beobachtet, untermalt von einer österreichischen Version der englischen Sprache, ist schon sehr komisch. Dass Lauda selbst, der in die Produktion eingebunden war, offenbar nicht gegen sein Ratten-Image protestiert hat, zeugt aber dann doch auch von Größe. Letztlich erweist sich „Rush“ als Film mit erheblicher Situationskomik, bei dem sich das Drehbuch merkbar leichter tut, nun keinen historischen Persönlichkeiten wie dem englischen König oder der Queen eine gewisse Dimension verleihen zu müssen. Der Versuch, hinter die Figuren zu blicken, erweist sich hingegen als recht flach. In einer Szene steht Lauda im nächtlichen Wohnzimmer seines Hauses am Fenster und ist ausnahmsweise nicht auf Sieg eingestellt. Er erklärt seiner frisch vermählten Frau, dass das Glück der größte Feind sei – es macht einen angreifbar. Wenn das so ist, ist eigentlich schon alles zu spät, lautet ihre Antwort. Szenen wie diese berichten letztlich auch wieder nur von der Bessessenheit dieses Mannes und schreiben ihn einmal mehr als kuriose antisoziale Figur fest. Aber genau von diesem Reduktion lebt „Rush“ ganz gut.