Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Gunnar Landsgesell · 16. Apr 2015 · Film

Run All Night

Geradlinig inszenierter Thriller, der New York in einer Nacht noch einmal in die Mobster-Kämpfe der 70er Jahre taucht. Liam Neeson gibt dabei den eiskalten Profi-Killer mit der ihm typischen Melancholie.

Liam Neeson ist als Schauspieler auf den lone wolf programmiert wie einst Jerry Lewis auf den Tollpatsch. Seine Rollen kreisen immer um den Tod, Variationen sind erlaubt: Im eisigen Survival-Drama „The Grey“ muss Neeson sich vor unheimlichen Wölfen retten, der Gedächtnisschwund-Thriller „Identity“ arbeitete mit der Hoffnung, der Auftragskiller sei ein anderer. In „Run All Night“ ist Jimmy (Neeson) allerdings nicht vor sich selbst auf der Flucht, sondern setzt noch einmal jene einzigen Skills ein, über die er verfügt: kühl und professionell zu töten. „Run All Night“ beschreibt Geschehnisse innerhalb eines Tages, wie sie sich unaufhaltbar erhitzen. Jimmy, arbeitslos und aus dem Tritt, kehrt nach Brooklyn zurück, wo er seinen alten Freund Shawn (Ed Harris) auf der Suche nach einem Job aufsucht. Beide waren ein Team in einer Zeit, als die Mobster die Straßen Brooklyns mit Gewalt überzogen. Shawn und Jimmy, damals „Gravedigger“ genannt, regierten mit Drogen und Gewalt. Nun haben sie sich zur Ruhe gesetzt, in der Hoffnung, dass ihre Söhne einen anderen Weg gehen. Der Plot von „Run All Night“ lässt das freilich nicht zu: Das Narrativ von damals wiederholt sich, nur unter anderen Vorzeichen. Die alten Freunde werden zu Feinden, als deren Söhne aneinander geraten. Auf Mord folgt Rache und ein nächtlicher Gewalttrip, bei dem Regisseur Jaume Coller-Serra dem Typus seines Protagonisten Liam Neeson als geradliniger Actioner mit melancholischer Note durchaus gerecht wird. „Run All Night“ ist als spannungsgeladener, atemloser Thriller organisiert, in dem Neeson noch einmal als Profikiller in Aktion tritt, um seinen Sohn zu schützen.

Melancholie und Brutalität

Coller-Serra ist kein Regisseur, der an einer eigenen Handschrift interessiert scheint. Er versteht sich auf straightes Spannungskino, das auf den typisch halbgaren Humor von Actionfilmen verzichtet und dafür einige Momente menschlicher Dimension einflicht. Die Vater-Sohn-Konstellation birgt einiges dramatisches Potenzial, auch die Verachtung, die Jimmys Sohn ihm, dem Gravedigger von damals, entgegenbringt, den er nun eigentlich von seiner Familie fernhalten will, lässt den permanenten Kollisionskurs des Films nicht nur auf einer Waffenebene stattfinden. Schließlich gibt es auch einen kleinen schwarzen Jungen, dessen Spur in einen gigantischen Plattenbau der Projects in Jamaica, einem  eher übel beleumundeten New Yorker Viertel in  Queens, führt. Wie sich die Aktion von einer rasanten Verfolgungsjagd in dieses Hochhaus verlagert, das eher an die Pariser Banlieus erinnert als an New York, und dort kurzfristig zur Ruhe kommt, bringt eine eigene Qualität in diesen durchwegs in urbanen Settings verorteten Film. Mit Liam Neeson hat „Run All Night“ zudem einen Protagonisten, der zwar nicht weniger lethal agiert als Clint Eastwood in seiner Zeit als „Dirty Harry“ – nur ersetzt Neeson den Zynismus Eastwoods mit seiner ihm eigenen Melancholie.