Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Gunnar Landsgesell · 03. Sep 2015 · Film

Ricki – Wie Familie so ist

Witzige Komödie um eine Frau (Meryl Streep), die einst ihre Familie verließ, um ihren Traum, eine Musikkarriere, zu verwirklichen. Die Rückkehr wegen einer Krise ihrer Tochter sorgt für neue Friktionen.

Wer das Filmplakat von „Ricki – Wie Familie so ist“ sieht, wird sich fragen, wie das hier wohl gemeint ist: Meryl Streep, 65, in hautengem, schwarzen Leder, geflochtenen Haaren mit E-Gitarre in der Fun-Pose einer Rocksängerin? Tatsächlich verfolgt Regisseur Jonathan Demme eine kuriose Idee in einem dramaturgisch disparaten, zugleich aber durchaus liebenswerten Film. Nach Jahren taucht Ricki (Streep) wieder im Haus ihres Ex-Mannes (köstlich verkorkst: Kevin Klein) und ihrer mittlerweile erwachsenen Kinder auf, weil ihre Tochter Julie nach einer Trennung völlig den Halt verloren hat. Eine Hilfsaktion mit Tücken, weil Ricki schon vor langer Zeit ihre Familie zugunsten einer Musikkarriere verlassen und in Kalifornien in ihrer Band eine neue Familie gefunden hat. Nun ist Ricki, die Rockröhre zurück, was ihr schon am bewachten Eingang der Gated Community Probleme einbringt. Dass Ricki ihre Bühnen-Attitüde und ihr Rock-Outfit nicht abgelegt hat, sorgt für jene Irritationen, von denen der Film bis zum Ende zehrt. Das klingt nach einer durchwegs künstlich arrangierten Situation und als solche hat sie die Drehbuchautorin Diablo Cody („Juno“) auch produktiv gemacht: hier die steife Restfamilie, die mehr auf Repräsentation als auf das eigene Gefühlsleben achtet, da die schräge Sängerin, die offenbar nie die Mutterrolle eingenommen hat und nun auch nicht so genau weiß, wie ihre Rolle in dieser Familie nun aussehen soll.

Energetische Streep mit Spielwitz


„Ricki“ ist von einer merkbaren Unentschiedenheit geprägt, worüber hier eigentlich erzählt werden soll: von einer verlassenen Familie, die aber mit der zweiten Ehefrau und Mutter offenbar schon lange ganz gut über die Runden kommt. Dazu erhält man einige Einblicke für einen rudimentären Eindruck von Außen. Oder sollte das Verhältnis von Ricki und Julie (übrigens von Streeps leiblicher Tochter Mamie Gummer gespielt) die eigentliche Achse des Films bilden? In der Annäherung der beiden Frauen lassen sich zwischen Witz und Aufruhr deutliche Konturen erkennen, wiewohl das Situative im Vordergrund steht. Das eigentliche Zentrum des Films soll aber wohl mit Ricki eine Frau bilden, die ihre eigenen Träume verfolgt hat und vielleicht gescheitert ist. Ricki ist jene Figur, der am intensivsten eine eigene Politik zugeschrieben wird. Etwa, wenn sie in einem aus europäischer Sicht eher unbekannten konservativen Country- und Rockmilieu als republikanische Wählerin und Obama-Gegnerin beschrieben wird; wenn ihr zugleich aber auch der Hinweis in den Mund gelegt wird, dass Männer selbstverständlich Rockstars werden, ohne jemals nach deren Familie gefragt zu werden.
Ganz ohne Familie wollte man Ricki aber auch nicht lassen, mit ihrer Band (darunter Musiker von Parliament und Neil Young) bildet sie eine eigene Einheit, die man in langen Passagen, in denen Streep erstaunliche Gesangskünste beweist, auf der Bühne beobachten kann. Regisseur Jonathan Demme, Schöpfer von „Das Schweigen der Lämmer“, hat insbesondere in Meryl Streep eine schauspielerische Naturgewalt gefunden, die eine Interpretationskünstlerin aller Fächer ist, sowohl politische Rollen („Silkwood“) wie auch unterdrückte Emotion („Die Brücken am Fluss“) wie auch das Überdrehte („Der Tod steht ihr gut“) beherrscht. Streep selbst macht diesen Film sehenswert.