Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Gunnar Landsgesell · 19. Sep 2013 · Film

Population Boom

Mit lakonischem Humor reist Werner Boote („Plastic Planet“) um die Welt, um zu klären, ob der Erde aufgrund von Ressourcenmangel die Überbevölkerung droht. Er findet dabei Antworten, die so manchen erstaunen mögen.

Werner Boote findet offensichtlich Gefallen daran, sich selbst ins Bild zu setzen. Man darf ihn durchwegs als österreichische Version von Michael Moore verstehen. Bootes Methode ist ebenso simpel wie einprägsam: Anstatt sein Publikum mit offenen, abstrakten Bildern allein zu lassen, begleitet er es lieber in sehr konkret gebauten, argumentativen Kausalketten. Globale Themen wie die Verseuchung des Planeten durch Plastik oder auch die Frage, was sich hinter dem Begriff der Überbevölkerung eigentlich verbirgt, eignen sich idealtypisch dafür. Ohne große Umschweife macht sich der Filmemacher daran, die Rhetorik der Überpopulation als eine Strategie der Angst zu demontieren. Ein UN-Experte, der eben auf einer Pressekonferenz die Geburt des siebenten Millionsten Menschen mit einem Verweis auf diverse Kriege verkündete, kann keine Antwort auf die Frage geben, wann es denn wirklich zu viel würde. Schon im 18. Jahrhundert, so Boote, prognostizierte man aus diesem Grund den Kollaps der Menschheit.

Spiel mit vollgeräumten Bildern

Dass die UNO ebenso wie der CNN-Gründer und nebenbei größte Bison-Züchter der USA, Ted Turner, Kriege oder gar Kannibalismus (Turner) als Folge zu vieler Menschen an die Wand malen, wenn diese sich nicht länger ernähren könne, sorgt bei Reiseleiter Boote eher für lakonischen Humor. Tatsächlich sei es der Ressourcenverbrauch und die Frage, wie Staaten ihre Gesellschaften organisieren, die darüber entscheiden, wie viele Menschen auf der Erde ein gutes Leben führen können. Schon an diesem Punkt gabelt Boote seine Erzählung: in jene der westlichen Welt, deren ökologischer Fussabdruck allein aufgrund des Lebenswandels ziemlich schlecht ausfällt, während Nationen wie China, Indien oder Bangladesh trotz ihres Bevölkerungsreichtums den Planeten weniger belasten. Viele Kinder, das wird bei einem Besuch einer Familie in einem Slum von Mumbai, Indien, deutlich, sind immer noch die Lebensversicherung der Armen. Während die Gesellschaften in Europa und den USA täglich viel mehr Kalorien zu sich nehmen, als der Körper eigentlich braucht, und Ted Turner ein vielfaches an Nährwerten zur Produktion von einem Kilo Bisonfleisch verfüttern lässt, sorgt man sich zugleich, dass der Hunger ausbrechen könnte, wenn in Asien oder Afrika die Bevölkerungszahlen steigen. In dieser Hinsicht hält Boote mit den Gesprächspartnern, die er in allen Teilen der Welt recht beiläufig besucht, stimmig den Kurs seiner Argumentation. Auch das gehört zur unmerklich offensiven Strategie des Films: „Population Planet“ präsentiert nicht nur menschenleeren Landschaften in Afrika um damit auch visuell seine These zu untermauern, sondern geht einen geradezu paradoxen Weg: Indem er immer wieder vollgeräumte Bilder aus Peking, Tokyo oder auch New York anhäuft, um die Ängste vor einem ächzenden Planeten auf sehr ironische Weise zu konterkarieren. Eine gewisse Diskursfreudigkeit kann man „Plastic Planet“ damit nicht absprechen. Auch deshalb, weil Boote nicht über trockene Statistiken zu überzeugen sucht, sondern sein Publikum über eine durchwegs persönlich, fast haptisch gehaltene Erzählung einzubinden versucht. Ähnlich populär ausgerichtet wie Michael Moore, aber keineswegs so plump wie Morgan Spurlock („Super Size Me“), ergibt das ein Stück sanft ausgestaltetes Überzeugungskino.