Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Gunnar Landsgesell · 08. Feb 2018 · Film

Manifesto

"Manifesto" ist ein experimenteller Filmessay, der über Kunst, Kapitalismus und Konstruktivismus räsoniert. Cate Blanchett verkörpert dabei sämtliche Rollen, gewohnt präzise, immer im Dienst dieser manischen Inszenierung.

Die Menschheit hat viele Gesichter, und gar nicht zufällig tragen sie in diesem Film alle das von Cate Blanchett. „Du kannst meinen Namen nicht kennen, ich nicht deinen“, wird es gegen Ende von „Manifesto“ einmal heißen. Der deutsche Filmkünstler Julian Rosefeldt hat eine seiner Installationen aus dem Jahr 2015 nun für das Kino aufbereitet. In aufwändigen Settings spielt Cate Blanchett 13 Rollen und führt dabei einen Streifzug durch die globalisierte Welt aus. „Manifesto“ erweist sich vom ersten Moment an als radikales Filmexperiment, das mit seinen abrupten Szenenwechseln und den an die Grenze zur kognitiven Überforderung führenden Monologen über Kunst, Kapitalismus und Konstruktivismus jede Form der dramaturgischen Einengung ablehnt. Könnten es statt Denken nicht Träume sein, hört man Blanchett einmal sagen, die die grundlegenden Fragen unseres Lebens lösen? Fürwahr, denkt man sich, „Manifesto“ hat sich diesem Gedanken vollständig verschrieben, wiewohl ohne Anspruch, auch nur irgendeine Frage tatsächlich zu lösen.

Die Welt als Kunst und Schutthaufen 


Vielmehr beschwört Rosefeldt unsere Zeit als Apokalypse, eine vom Kapitalismus zerrüttete Welt. Blanchett wandert verlottert durch eine Landschaft aus Industrieruinen, während die Tonspur verkündet, dass in dieser Zeit des Umbruchs der Künstler keine andere Rolle spielen kann als die des Revolutionärs. Es sei seine Pflicht oder das letzte, was er tun könne, die leere Hülle des Kapitalismus zu zerstören. Agit-Prop-Rhetorik als Ironie oder doch ernst gemeint? „Manifesto“ verstehen zu wollen, wäre zuviel verlangt. Es ist ein zwischen Surrealismus und Dystopie wandelnder Filmessay, dessen groteske Anlage fast in den durchkomponierten Bildern unterzugehen droht. Unbeirrt hält Rosefeldt in diesen Vignetten am Parolenhaften, der Provokation, der großen Geste fest. Vieles dieser Bruchstücke ist mal witzig, mal gänzlich abstrakt, muss flüchtig bleiben, und schon bald lässt man die angespannte Konzentration auf das Inhaltliche los und gibt sich dem hin, was einem hier als Gesamtkunstwerk begegnet. Mit Cate Blanchett hat Rosefeldt eine Akteurin gefunden, die hintersinnigen Spielwitz und beinharte Selbstdisziplin wie in allen ihren Rollen auch hier zu vereinen weiß. Blanchett agiert penibel genau, wenn sie eine krypto-rotzige Aktienbrokerin spielt, und selbstverständlich auch, wenn sie als tätowierte, leicht illuminierte Punkkünstlerin über die Kunstszene vom Leder zieht. Sie zeigt sich mit dem ihr typischen Understatement im Ausdruck erneut äußerst wandlungsfähig. Und sie macht jede Pointe mit. Zweimal spricht sie quasi zu sich selbst. Einmal, wenn sie eine Wachspuppe für den Einsatz im Puppentheater herrichtet, die sie selbst darstellt. Im Hintergrund sind die Ränge gefüllt, Puppen von Hitler bis Lenin, während Freud und Marx in diesem Film nicht zufällig nebeneinander sitzen. Traum und Analyse sind das unverbrüchliche Paar dieser Inszenierung. Gegen Ende wird Cate mit Cate sprechen, vom TV-Studio zur Reporterin im Regen. "Ist es möglich, dass der Konzeptkünstler den Betrachter langeweilen will?", lautet die Frage. Eigentlich ausgeschlossen, wäre die Antwort. Aber, so hört man, das muss das Publikum für sich entscheiden.