Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Gunnar Landsgesell · 09. Jul 2015 · Film

Mama gegen Papa – Wer hier verliert, gewinnt

Wenn Mama und Papa sich scheiden lassen und zugleich das Sorgerecht für ihre Kinder zugunsten eines Traumjobs loswerden wollen, dann ist das eine schöne Allegorie auf den Kapitalismus unserer Zeit. Als Komödie funktioniert das allerdings nur bedingt.

Als ökonomische Allegorie erzählt uns „Mama gegen Papa“ gleich von zweierlei Unbilden des Spätkapitalismus: das liberal, gutsituierte Ehepaar Florence (Marina Foïs) und Vincent Leroy (Laurent Lafitte) will sich angeblich scheiden lassen, weil der Beziehung das Feuer ausgegangen sei. Mit dieser Flaute werden wir aber nicht weiter behelligt, denn, wie sich zeigt, ist das nur die halbe Wahrheit. Wie wir erfahren, haben beide Elternteile verlockende Jobangebote im Ausland erhalten, die ihnen nun wichtiger erscheinen als die Familie. Da Florence und Vincent aber auch drei gemeinsame Kinder in diese Geschichte mitgebracht haben, besteht deren Fortgang nun darin, das Sorgerecht für die Kinder loszuwerden bzw. es dem jeweils anderen unterzuschieben.

Verdrehte Verhältnisse

 

Damit wird die Stoßrichtung von „Mama gegen Papa“ deutlich: Eine Scheidungskomödie, die gegen den Strich gebürstet ist. Nicht die maximale finanzielle Aneignung im juristischen Geplänkel, sondern neoliberale Individualisierung und schnellstmögliche Verdünnisierung stehen hier auf dem Programm. Wer das Wohnhaus beansprucht, hat auch die Kinder am Hals – damit wäre es mit dem „Traumjob“ vorbei. Deshalb beginnen Mama und Papa einen Guerillakrieg gegen ihre eigenen Kinder, um sie sich vom Hals zu schaffen. Mama leert ihren Kindern Spülmittel in die Spaghetti und kickt den süßen Hamster aus dem Fenster; Papa fällt durch rassistische Äußerungen gegenüber Asiaten beim Schultreffen auf und schleppt seine Tochter in einen Striptease-Club. Schwarzer Humor, der sein Potenzial aus der Mitleidlosigkeit der Situationen bezieht – wie etwa Hitchcocks „Immer Ärger mit Harry“, wo ein ganzes Dorf versucht, eine Leiche verschwinden zu lassen, weil sie ihm lästig ist – ergibt sich daraus aber selten. Dazu wirkt das Setting einer umgekehrten Familienansicht – schlimme Eltern und kreuzbrave Kinder – zu schlicht und das Gift des Humors zu beliebig. Vor allem gelingt es „Mama gegen Papa“ aber zu wenig, aus dem Inneren dieser Familie heraus zu erzählen, für das Chaos dieser fünf Leute finden die grundsolide inszenierten Tableaus nur bedingt genügend Empathie. So wirkt „Mama gegen Papa“ eher als Spiel mit dem wohlkalkulierten Tabubruch, dass Eltern, die ihren Kindern Pfefferspray in die Augen sprühen, zugleich auch komisch sein dürfen. Aber vielleicht ist es auch die Grundkonstellation, mit der der französische Erstlingsregisseur Martin Bourboulon hier zu kämpfen hat. Wer ist schon bereit, über Scheidungskinder zu lachen, wenn diese doch nur wollen, dass Mama und Papa wieder zusammenfinden?