Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Gunnar Landsgesell · 11. Dez 2013 · Film

Lunchbox

Wer Filme von Mira Nair ("Monsoon Wedding") schätzt, der wird auch an dieser indischen Sehnsuchtserzählung Freude finden. Einsame Ehefrau gerät durch fehlgeleitete Lunchbox-Lieferungen an einen Fremden, beide träumen sich mit selbst verfassten Beipackzetteln in eine schönere Zukunft. Ein Film, in dem jeder Ton passt - und keine Dissonanzen zu fürchten sind.

Manchmal muss man den falschen Zug nehmen, um am richtigen Ziel anzukommen, wird in „The Lunchbox“ orakelt. So gesehen ist die Hausfrau und Kochkünstlerin Ila (Nimrat Kaur) ganz auf Schiene. Denn ihre liebevoll zubereiteten Speisen erreichen durch einen Fehler der indischen Fahrrad-Zusteller nicht ihren Ehemann, sondern gehen an einen Fremden (Bollywood-Schauspieler Irrfan Khan). Der sitzt irgendwo in einem Büro am anderen Ende der Stadt, bereitet viel Zahlenwerk für die Regierung vor und scheint seit dem Tod seiner Frau sehr in sich gekehrt. Durch den Systemfehler beginnen sich die beiden kurze Botschaften zu schicken, womit die Lunchbox zum Medium der Sehnsüchte zweier vereinsamter Menschen im Moloch von Mumbai wird.

„Lunchbox“ ist ein Film, der scheinbar nichts falsch machen kann. Mit blinder Sicherheit baut er seinen Plot auf und setzt dabei seine Akteure in eine behutsam dosierte Spannung zueinander, als handle es sich um das vielfach erprobte Konzept einer Genreproduktion. Tatsächlich geht es um einen Erstlingsfilm, dem indischen Regisseur Ritesh Batra wird seit der Premiere in Sundance eine große Zukunft prophezeit. Dass Batra wenig Interesse zeigt, sein Publikum mit ungestümer Kreativität zu überzeugen, sondern sich lieber mit diesem ins Einvernehmen setzt, ist dabei augenfällig. Die sauseweiche, sanftmütige Tonalität seiner Geschichte lässt einen recht schnell an Mira Nair („Monsoon Wedding“) denken. Um gröbere Irritationen der Zuseher zu vermeiden, wird zu viel Emotion wie durch einen Sicherheitsschalter gekappt. Krisen wie jene der Köchin, die von ihrem Ehemann nicht mehr geliebt wird, oder die freiwillige Isolation ihres verwitweten, unbekannten Brieffreundes werden gründlich weichgespült, indem sie flugs in den Kontext hoffnungsfroher Bekanntschaft transferiert werden. Das lässt „Lunchbox“ weniger als Allegorie auf die menschliche Einsamkeit denn als heiteres Beispiel der Sehnsuchtsproduktion einsamer Menschen erscheinen. Insofern ist es auch konsequent, dass zwar sämtliche der Figuren einen Verlust zu vermelden haben, zugleich aber anderswo schon wieder Anbindung finden. Egal ob das nun die als „Tante“ apostrophierte Frau ist, die über der Köchin wohnt und ihr jeweils als „höhere“ Stimme durch das offene Fenster Gewürztipps gibt. Oder ob das der junge Arbeitskollege von Irrfan Khan ist, der diesen mangels eigener Familie kurzerhand zu seinem Verwandten erklärt. Und wenn vielleicht auch nicht jeder falsch genommene Zug einen ans richtige Ziel bringt, ist die Millionenstadt Mumbai auf hochkonzeptionelle Weise am Ende ein bisschen menschlicher geworden.