Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Gunnar Landsgesell · 05. Jän 2016 · Film

Legend

Die Neuverfilmung des Aufstiegs und Falls der Zwillingsbrüder Reggie und Ron Kray, die im London der Sechziger Jahre die Unterwelt beherrschten, verspricht viel, lässt einen als schöngefärbtes Gangster-Epos aber unbefriedigt zurück. Das hakt schon am doppelten Tom Hardy, der beide Brüder verkörpert.

Ein pikiertes Polizistenduo, das von seinem ärmlichen Fünfziger-Jahre-Dienstwagen aus dem Gangster-König Reggie Kray im East End Londons folgt, während dieser sie übermütig verhöhnt, ist der vielversprechende Einstieg in dieses Mafia-Epos. Die gekippten Machtverhältnisse macht Regisseur/Drehbuchautor Brian Helgeland in wenigen Bildern sichtbar. Reggie (Tom Hardy), schlendert im Anzug, von seinem Chauffeur begleitet, als Autorität durch sein Arbeiterviertel, während Hausfrauen ihn freundlich grüßen und er ihnen Geldscheine zusteckt. „Legend“ erzählt vom Aufstieg und Fall der realen Kray-Zwillingsbrüder, die in den Fünfziger- und Sechziger Jahren auf blutige Weise die Unterwelt Londons beherrschten, während sie in ihren Klubs und Nachtlokalen Künstler und Politiker zu ihren Gästen zählten. Helgeland startet seine Saga als ironisch-witzige Milieustudie, in der Reggie die unbekümmerte junge Frances (Emily Browning) kennenlernt, seine spätere Ehefrau. Gemeinsam mit seinem schrullig wirkenden (bipolare Störung) Bruder Ron, ebenfalls von Tom Hardy verkörpert, begegnen wir einem Duo, das die Sympathien auf seiner Seite hat. Das irritiert spätestens dann, wenn die erste drastisch ins Bild gesetzte Schlägerei anhebt, begleitet von einem aufmunternden Party-Sound. Das Geschäft des Knochenbrechens und der Einschüchterung wird in der Folge, der Titel verrät es, als legendäre Erzählung verstanden, für die der Film ein bisschen zu viel Glamour aufbietet.

Unschlüssige Erzählperspektive

Frances, die Ehefrau von Reggie, setzt Helgeland von Beginn an als „Korrektiv“ dieser Perspektive. Frances ist die Erzählerin, die durch die retrospektiv aufgerollten Ereignisse des Films führt, und die dunklen Seiten der Machttechniken ihres Ehemanns beleuchtet. Das wirkt allerdings wenig schlüssig, weil der Film selbst zu sehr am Glamour seiner Zwillingshelden hängt, und deshalb den Blick von Frances als erzählerische und kritische Instanz gar nicht übernimmt. Eine vergebene Chance auch deshalb, weil der langsame Verfall dieser Frau wie eine losgelöste Parallelerzählung zum Aufstieg und Niedergang der beiden Brüder wirkt, anstatt diesen zu ergänzen. Vielleicht ist das auch der Idee von Frances als Erzählerin geschuldet, der Helgeland mehr Souveränität einräumt, als sie im wahren Leben hatte. Während Frances in „Legend“ tablettensüchtig wird und sich von ihrem Mann schließlich trennt, blieb die reale Frances bis zu ihrem Tod unfreiwillig in der Ehe mit Reggie. Einen eher zwiespältigen Eindruck hinterlässt hingegen die Idee, Tom Hardy beide Brüder spielen zu lassen. Dass Hardy einen ganzen Film im Alleingang tragen kann, hat er in „Locke“ (2013) bewiesen, dessen Set fast ausschließlich aus der nächtlichen Autofahrt eines Mannes besteht. Dass zwei Tom Hardys aber die dramatische Wirkung nicht verdoppeln, liegt vor allem an der naturgemäßen Komik, die solche Doppelrollen signalisieren. Für eine Komödie hilfreich, wirkt das ganze hier wie ein unbeabsichtigter Kommentar über die dramaturgische Unentschlossenheit, an der dieses Gangsterdrama krankt. Auch wenn „Legend“ es mit den Mobster-Epen von Scorsese und Coppola aufnehmen kann, was die Production Values betrifft, so fehlt es doch an einem größeren Blick: an der Sichtbarmachung der Motivationen der beiden Krays und auch an milieugetreuen Schilderungen, ohne die das Gangsterbusiness der Krays in erster Linie selbstgesteuert wirkt.