Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Gunnar Landsgesell · 10. Sep 2015 · Film

Jack

Der Fall von Jack Unterweger verspricht einen spannungsreichen Filmstoff. Doch das Portrait (mit Johannes Krisch als Jack) bleibt zu vage, zu unbestimmt, um 21 Jahre nach dessen Tod noch einmal eine Diskussion anzustoßen.

Es sind vielfach auf Coolness und auf eine funkelnde Faszination ausgerichtete Bilder, mit denen Regisseurin Elisabeth Scharang den Frauenmörder Jack Unterweger 21 Jahre nach dessen Tod auf die Leinwand holt. Die goldene Jacke mit dem roten Drachen auf dem Rücken (erinnert an Ryan Gosling in „Drive“), dem die Kamera von hinten folgt; der weiße Ford Mustang und ein Jack, der als Schriftsteller vor dem Spiegel in seinem weißen Anzug posiert – eine selbstbezügliche Pose, die sich nackt vor dem Mode-Fotografen wiederholt, um auch die großflächigen Tattoos seines Körpers zu zeigen. Hier wird ein Mann in Szene gesetzt, der offenbar immer noch durch die Wahrnehmung von sensibler Verletzlichkeit und brutalen Ausbrüchen Aufmerksamkeit generieren soll, wie das damals der Fall war. Kulturschaffende setzten sich für Unterweger als hoffnungsfrohes Beispiel einer gelungenen Resozialisierung ein, doch die Frage, warum zwei Jahrzehnte später die irritierende Perspektive von damals auf diese Weise wiederholt wird, drängt sich auf. Welche Motivationen stehen hinter diesem Portrait? Eine Psychologisierung des Mannes greift Scharang phasenweise auf, wenn einzelne Szenen vom Narzissmus dieser Figur erzählen oder der tiefen Verachtung und dem Hass gegenüber Frauen, was durch einen Kurzbesuch von Unterwegers egoistischer Mutter in eine Beziehung (der Enttäuschung?) gesetzt wird. Besonders erhellend beschäftigt sich „Jack“ aber nicht mit den Frauenverhältnissen dieses Mannes, von der gutgläubigen Freundin und Mittäterin wider Willen (beim ersten Mord) bis zur begüterten Ehefrau (Corinna Harfouch), die auf ein Abenteuer aus ist, lässt sich auch nur jenes kolportierte Interesse von Frauen an dem Häfn-Autor ausmachen, das einem bereits aus Berichten in Erinnerung ist.

Fehlende Haltung


Aber auch als Krimidrama eignet sich „Jack“ nicht, die neunfache Mordserie an Prostituierten und die dichte polizeiliche Indizienkette bleibt ausgespart. Wäre „Jack“ ein Psychodrama, dann böte sich darin immerhin die dramatische Hintergrundfolie für diese Erzählung. In der offensichtlichen Unsicherheit der Annäherung an die Figur – wem soll man hier gerecht werden: Jack oder den ermordeten Frauen? – bleibt der Film inhaltlich vor allem vage und ist von einer seltsamen Sterilität geprägt. Das, obwohl mit Johannes Krisch ein stark auf Physis aufbauender Schauspieler die Rolle des Jack übernommen hat. Unberechenbarkeit und Labilität, wie sie Unterweger zugeschrieben wurde, werden durch die raumgreifende körperliche Präsenz von Krisch weitgehend verdrängt. Eine Disko-Szene, in der Jacks ambivalent-verführerische Aura quasi bestätigt werden soll, lässt nur eine derbe Rotlichtfigur erkennen, mit der sich weder die Attraktion auf Frauen noch die Fürsprache der Kunstschaffenden erklären lässt. Dabei hätte Krisch ganz gut in eine riskantere Interpretation gepasst, so, wie sie das Intro des Films eigentlich erwarten lässt. Da sehen wir eine Art Gangsterpaar in einem Auto, das mit durchdrehenden Reifen durch die Nacht schlingert und eine junge Frau zwischen Verlockung und Gewalt in ihren Wagen holt. (Das erinnert etwa an Christopher Roths freimütige RAF-Adaption „Baader“, 2002.) Diese Szenen sind klar von einer Stimmung der Angst und des Übergriffs geprägt, man wird quasi zur Geisel einer uferlosen Emotion. Vielleicht haben die später in rätselhaften Zwischenschnitten im Film auftauchenden Aufnahmen von Salamander, Igel und rauschenden Wälder als Abbilder von Natur (bzw. eines naturhaften Zustandes) eine ähnliche inhaltliche Funktion, sie wirken aber eher obskur. Eine entschiedenere Haltung hätte „Jack“ nicht geschadet.