Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Gunnar Landsgesell · 30. Jul 2015 · Film

Gefühlt Mitte Zwanzig

Ben Stiller und Naomi Watts als scheinbar glückliches Mitt-Vierziger-Paar in New York, das in einen Jugendwahn verfällt, als es einen halb so alten Hipster und dessen Freundin kennenlernt. Witzige, treffsichere Generationen-Clash-Komödie von Noah Baumbach („Greenberg“).

Plötzlich wirkt es so, als hätten Josh (Ben Stiller) und Cornelia (Naomi Watts) verlernt, ihr Leben zu leben. Eigentlich haben sie sich jenseits der 40 in ihrem alternativ-aufgeklärten Soziotop in New York ganz gut eingerichtet, doch nun kommen Zweifel auf: War es richtig, sich gegen Kinder zu entscheiden? Und sollte Josh, der zwar einen Lehrauftrag für Film hat, nicht längst seinen zweiten Dokumentarfilm fertiggestellt haben, an dem er seit einem Jahrzehnt herumbastelt? Das Gefühl, dass die Beziehung von Josh und Cornelia erstarrt ist und sie beide ihren Lifestyle um 20 Jahre verjüngen sollten, stellt sich insbesondere mit der Bekanntschaft von Jamie (Adam Driver) ein: Jamie ist ein Student von Josh, halb so alt wie dieser und fröhnt einem leichtgängigen Hipster-Dasein, wie Josh selbst es vielleicht einmal geführt haben mag. Der Effekt des Wiedererkennens verstärkt sich in der Wohnung von Jamie und seiner Freundin Darby (Amanda Seyfried), diese ist vollgeräumt mit Brettspielen aus den 80ern, mit VHS-Kassetten und Vinyl-Scheiben. Wie in einer Art Zeitschleife scheint sich hier in den Augen von Josh und Cornelia im Low-Budget- und Second-Hand-Lebensstil von Josh und seiner Freundin die eigene Jugend in dieser jüngeren Generation zu wiederholen. Was liegt näher, als sich bei den beiden einzuklinken, den gleichen selbstdarstellerischen Stetson (Josh) aufzusetzen und ebenso in den Hip-Hop-Tanzkurs (Cornelia) mitzugehen, wie es die beiden jungen machen. Freilich offenbart die Verjüngungskur bald ihre Tücken – dass ihr Benehmen ein bisschen lächerlich sei, wie Freunde ihnen bescheinigen, ist dabei die geringere Sache.

Präziser Blick


Regisseur und Autor Noah Baumbach, der mit treffsicheren Milieubeschreibungen wie „Greenberg“ und „Frances-Ha“ einen ebenso humoristischen wie beißend-scharfen Blick bewiesen hat, reichert „When We’re Young“ (Original) zu einer weitaus größeren Geschichte an als bloß den Woody-Allen’schen Unglücksraben, mit dem Ben Stillers Figur in einigen Filmkritiken verglichen wurde. Stiller ist hier weniger als der sich selbst bespiegelnde Neurotiker interessant, der mit seiner Lebenssituation hadert und mit seiner sozialen Unbeholfenheit das Publikum unterhält. In Noah Baumbachs Reflexion über das Älterwerden baut sich ein ganzer Zwist zweier Generationen auf: Im Zeitalter der Digitalisierung und Flexibilisierung wächst mit Jamie eine Generation heran, die von einem großen Pragmatismus geprägt ist: No problem, scheint seine Lebensdevise zu sein. Während Josh zum Opfer seines eigenen Purismus wird, was die Ethik des Filmemachens wie auch seine Gesellschaftskritik betrifft, weshalb er sich auch endlos mit seinem Dokumentarfilm verzettelt, holt sich Jamie ohne großen Federlesens die Expertise und das Wissen von Josh ab, reichert es mit seiner schnoddrigen Unbekümmertheit an und präsentiert innerhalb kürzester Zeit seinen eigenen Dokumentarfilm. Der Clash zwischen der Generation 2.0 und jener, die die VHS-Bänder, die Vinyl-Scheiben und die Brettspiele entworfen haben, die Pain-in-the-Ass-Jamie in seiner Wohnung sammelt, kulminiert im persönlichen Dilemma der Ben-Stillerschen Figur. Das ist urkomisch, tragisch und erstaunlich präzise, was die Gefühlsbeschreibung der 40-Something betrifft. Baumbach selbst bezieht nicht explizit Stellung: In Naomi Watts sowie deren Vater, selbst einem gefeierten altgedienten Filmemacher, finden sich jene verständnisvollen und pragmatischen Stimmen, die mit dem Lauf der Zeit keineswegs hadern.