Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Gunnar Landsgesell · 14. Mai 2015 · Film

Elser – Er hätte die Welt verändert

Ein Individualist, der die Nazis verstörte: Georg Elser, Tischler und Widerstandskämpfer, der mit seinem Hitler-Attentat Deutschland vor Schlimmerem bewahren wollte, aber scheiterte. Teils heftig aber zugleich mit überraschender Ernsthaftigkeit von Oliver Hirschbiegel inszeniert. Beeindruckend besetzt mit Christian Friedel als Elser - ein stiller Beobachter und Mann der Tat.

Ein Mann, bereits blutig durch Schürfwunden, macht sich im Dunkel eines Kellers an einer Apparatur zu schaffen. Er arbeitet präzise, merklich unter höchster Anspannung. Die Konzentration, mit der wiederum die Kamera dem Schauspieler Christian Friedel, der hier den gescheiterten Hitler-Attentäter Georg Elser verkörpert, beim Einbau seiner Bombe mit dem Zeitzünder unter dem Bürgerbräukeller in München folgt, nimmt die überraschend fokussierte Erzählweise dieses Films vorweg. „Elser – Er hätte die Welt verändert“ klingt vorweg nach der Horrorshow, die Regisseur Oliver Hirschbiegel („Der Untergang“, „Das Experiment“, „Tatort“) gerne veranstaltet. „Elser“ folgt mit seinem Interesse an den Verhörszenen als zentralem Teil des Films zwar der spekulativen Logik Hirschbiegels, verliert dabei aber nicht den roten Faden der Erzählung. Die Geschichte des Tischlers aus dem süddeutschen Raum, der den aufkommenden Nationalsozialismus mit Skepsis und schließlich entschiedener Gegnerschaft verfolgte, bis er sich entschloss, dagegen „etwas zu tun“, wird von einer Mischung aus Nachdenklichkeit und stillem Lebensfrohsinn des Protagonisten begleitet, die einem vordergründigen Heroismus gewissermaßen entgegensteht. Elser präsentiert sich – dem konventionellen, aber mit gekonnter Spannung aufgebauten Drehbuch des Krimi-Autorenpaares Breinersdorfer folgend – als überlegter junger Mann, der gerne unterschätzt wird. Zuerst, im romantischen Teil des Films, von seiner späteren Geliebten, Elsa (Katharina Schüttler), die den introvertierten Ziehharmonikaspieler in einem Wirtshaus quasi in die große Welt einführen will, indem sie ihn herruft und ihm den Tangoschritt beibringen will, als er zu ihrem Erstaunen vielmehr sie führt und dazu eine Tangomelodie summt. Und später, als er auf der Flucht nach Konstanz verhaftet und vom Reichskriminaldirektor Arthur Nebe (Burghart Klaußner) und Gestapo-Chef Heinrich Müller (Johann von Bülow) verhört wird, weil sie Elser nicht glauben, dass er ein Einzeltäter sei. Gezeichnet und halb blind von der Folter zeichnet er schließlich im Eiltempo den komplizierten Mechanismus der von ihm konstruierten Zeitschaltung nach. Die Frage der Politisierung Elsers wird gestreift, wenn man ihn im Freundeskreis der Rotfrontkämpfer sieht.

Erntedankfest mit Hakenkreuz

Als ungemein passender Interpret des Elser erweist sich Christian Friedel, der etwa in Hanekes „Das weiße Band“ den Dorflehrer und zuletzt in Jessica Hausners „Amour fou“ den suizidalen und etwas lächerlichen Heinrich (von Kleist) dargestellt hat. Friedel, den man mit Hirschbiegel nicht unbedingt in Verbindung bringen würde, verleiht seiner Figur jene Hintersinnigkeit, die man im realen Elser vermuten darf. Einerseits rekurriert „Elser“ auf ganz praktisch erlebte Zäsuren, etwa den Verfall der Löhne von Handwerkern, obwohl Hitler den Arbeitern doch soziale Verbesserungen angekündigt hatte. Andererseits vollziehen sich die Transformationen der deutschen Gesellschaft in diesem Film direkt durch die Augen des Protagonisten: Still beobachtet Friedels Elser den Aufstieg der Nazis, die Hakenkreuzmuster auf den Brotlaiben am Erntedankfest, die Frau (Gerti Drassl), die am Hauptplatz vorgeführt und vom Pöbel angespuckt wird, weil sie sich mit Juden „eingelassen“ hat, das Schild in der Fabrikshalle, auf dem steht: „Hier wird mit Heil Hitler gegrüßt“. Die Gleichschaltung des Geistes und der ungebrochene Individualismus des Elser ist eine der Werkmarken dieser Verfilmung. Und folgerichtig sorgt das Bekenntnis zum frei denkenden Menschen, wie Elser es in einem Verhör formuliert, auch größte Irritation bei Nebe: er verlässt nach dieser Bemerkung wortlos und geradezu verstört den Raum. Auch für den Darsteller von Nebe kann man sich mit Burghart Klaußner (Der wohlmeinende, strenge Vater in „Das weiße Band“) keinen besseren Akteur für die Ambivalenzen, die in Nebe aufkeimen, vorstellen. Mit der dramaturgischen Form der Rahmenhandlung – die Gegenwärtigkeit des Verhörs und die Erinnerungen Elsers als Fluchträume in sein Leben vor seiner Verhaftung – wird mühelos ein Spannungsbogen erzeugt, der vom Verlust eines Lebens, aber nicht der eigenen Überzeugung erzählt. Elser selbst hatten sich die Nazis jahrelang im KZ Dachau "aufgehoben", um ihn nach dem "Endsieg" in einem Schauprozess der Öffentlichkeit zu präsentieren. Drei Wochen vor der Befreiung Dachaus ermordeten ihn die Nazis.