Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Gunnar Landsgesell · 07. Jul 2016 · Film

Die Poesie des Unendlichen

Ein junger Inder gilt als mathematisches Genie und schafft es 1913 an die britische Elite-Uni nach Cambridge. Dort begegnet man dem Mann aus den Kolonien reserviert, bis auf einen Professor. "Die Poesie des Unendlichen" wird vornehmlich als Geschichte zweier Freunde im vereinten Geist erzählt.

Auch wenn diesem Film ein Zitat vorangestellt wird, in dem nicht nur die Wahrheit, sondern vor allem auch die Schönheit der Mathematik gepriesen wird, so werden Zahlen in „Die Poesie des Unendlichen“ („The Man Who Knew Infinity“) vor allem zum Ausdruck ungleich verteilter Macht zwischen dem britischen Empire und einer seiner Kolonien: Indien. Ramanujan, ein 25-jähriger Inder, der in ärmlichen Verhältnissen in Madras im Jahr 1913, ist einer historisch existierenden Figur nachempfunden, die so etwas wie ein mathematisches Genie war. Der junge Mann eignete sich sein Wissen im Alleingang an und löste hochkomplexe Mathematik-Problemstellungen, was ihn schließlich bis an die britische Elite-Uni Cambridge brachte. In „Die Poesie des Unendlichen“ ist dann aber Schluss mit der Schönheit der Zahlen. Ein zähes Ringen darum, als Person sowie mit seinen Fähigkeiten anerkannt zu werden, beginnt. Am Campus, sagt man ihm, dürfe er den Rasen nicht betreten. Während Professor Hardy (Jeremy Irons) ihm wohlgesonnen ist, machen andere aus ihrer Geringschätzung für den indischen Studenten kein Hehl. Als ihm ein Professor ins Gesicht sagt, „Ich werde die Partition mit der Hand durchrechnen und dann kannst du hinter den Felsen kriechen, hinter dem du in Indien hervorgekrochen bist“, wird deutlich, welche diffusen Ängste bereits zu dieser Zeit um die eigene Suprematie vorhanden waren. Als der Erste Weltkrieg ausbricht, verprügeln zwei Polizisten den dunkelhäutigen Studenten aus reinem Ressentiment. Aus Szenen wie diesen bezieht Regisseur Matt Brown einige gesellschaftspolitische Aktualität seiner Erzählung, denn ein schnöder Film über Mathematik ist „The Man Who Knew Infinity“ sicherlich nicht. Die Magie des Films liegt vielmehr in der Beziehung dieser zwei Mathematiker, ihrem ungleichen Status, und dem Glauben daran, dass ihre spezielle Intelligenz und Passion Grenzen überwinden kann. Dev Patel („Slumdog Millionaire“, „Chappie“) fällt dabei das schwere Los zu, seine Rolle zwischen der Demut des Kolonisierten und dem Selbstbewußtsein des brillanten Denkers zu balancieren. Dass Regisseur Brown den gesamten Film in ein unwirklich schimmerndes Licht taucht, nahe am magischen Realismus früher französischer Schule, versiegelt die an sich dramatische Geschichte mit einer künstlichen Patina. Am Ende liegt etwas zuviel an Poesie in dieser Biographie, die einiges mehr erzählen könnte.