Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Gunnar Landsgesell · 08. Okt 2015 · Film

Der Marsianer

Matt Damon wird als NASA-Astronaut während eines Sturms von seiner Crew auf dem Mars zurückgelassen. Während er zu überleben versucht, laufen Rettungsversuche auf der Erde und im All. „Der Marsianer“ bietet nicht die spektakuläre räumliche Erfahrung von „Gravity“ und nicht die tragische und philosophische Dimension von Duncan Jones’ „Moon“, sondern funktioniert den Mars zum netten Abenteuerspielplatz um. Eine heitere und ein wenig belanglose Mars-Geschichte von Ridley Scott.

Noch hat es keine bemannte Raumfähre zum Mars gegeben, aber in „Der Marsianer“ wird der rote Planet bereits zum stoischen Gegenspieler eines NASA-Astronauten. Weil die Crew den vermeintlich Toten während eines heftigen Sandsturms zurückgelassen hat, wird Mark Watney (Matt Damon) in einen Überlebenskampf gezwungen. Während Watney sich durch allerlei Improvisationen die Raumstation lebenswert macht, dämmert auch der NASA auf der Erde, dass der Mann am Mars noch lebt. Emsig wird überlegt, ob und wie man Watney retten kann.
Ridley Scotts jüngstes Epos ist eines nicht: Ein grimmiger „Survival“-Film, in dem der Zuseher nervenaufreibend von einer Gefahr zur nächsten getrieben wird. „Der Marsianer“ lässt sich geradezu gemütlich an. Matt Damon startet ein Logbuch, das er einer Videokamera (und damit uns) erzählt, baut mit seinem Chemie-Wissen eine Wasserproduktionsanlage auf und hat in einer kleinen Halle bald schon die schönsten Kartoffelstauden gezüchtet, gänzlich pestizidfrei. Die Einsamkeit des Mannes wird an durchaus auch komischen Szenen deutlich, etwa wenn Damon die Discomusik anwirft, die die Crew ihm hinterlassen hat, die er aber gar nicht zu schätzen scheint. Donna Summer (aber auch „Starman“ von David Bowie) werden zu selbstironischen Randnotizen eines freundlichen Marsbewohners. Frei von Ängsten rechnet er in verschiedenen Szenarien seine Überlebenschancen durch. Der Mars selbst erweist sich bei Ridley Scott („Alien“) als geduldiger Antagonist: Er beeindruckt durch seine rötlich gefärbten Wüsten- und Gebirgslandschaften, seine staubtrockene Atmosphäre hält dennoch immer klare Bilder bereit.

Innere Dramatik fehlt


Die eigentliche Dramatik der Geschichte dieses Films soll zweifellos andern Orts generiert werden: Auf der Erde, wo zwischen dem an risikoreichen Manövern wenig interessierten NASA-Chef (Jeff Daniels) sowie dem Mars-Mission-Leiter (Chiwetel Ejiofor) und anderen Akteuren eine heftige Debatte zwischen Vernunft, Emotion und Pathos anhebt: Wie hoch darf der Preis für die Rettung eines einzelnen Menschenlebens sein? Dass Hilfe ein Impuls ist, der allen Menschen und allen Kulturen der Welt zu eigen ist, wird bereits im Intro von „Der Marsianer“ als Handlungsmaxime vorangestellt. Insofern wirkt das Geschehen wie aus der Retrospektive aufgerollt, bei dem wenig Zweifel bestehen, dass diesem Mann geholfen wird. Die Parallelhandlung auf der Erde und dem Mars als Wettlauf gegen die Zeit hat damit eine vielmehr chronologische als spannungsgenerierende Funktion. Deutlich mehr Spannung hält hingegen die Crew im Raumschiff bereit, die unter der Leitung von Commander Melissa Lewis (Jessica Chastain) während der Heimreise von einem moralischen Dilemma begleitet wird. Anderswo mag verhandelt und abgewogen werden, in diesem Raumschiff aber wird schließlich, als es darauf ankommt, in wenigen Worten und in einer erstaunlichen Verknappung eingelöst, was der gesamte Film als Leitthema etwas langatmig erzählen möchte: wie die Entscheidungen Einzelner einen ganzen Apparat aushebeln können. Jessica Chastain gibt dabei den Commander mit beeindruckender Entschlossenheit. „Der Marsianer“ bietet nicht die spektakuläre räumliche Erfahrung von „Gravity“ und nicht die tragische und philosophische Dimension von Duncan Jones’ „Moon“, sondern funktioniert den Mars zum netten Abenteuerspielplatz um. Die größere Idee, ein Antrieb, der über die vielen lebensverlängernden technischen Improvisationen an Sonden, Fahrwerken, Raketen und dem ganzen Elektronikschrott des Marsianers Watney hinausführt, bleibt irgendwann auf der Strecke. Hätte man Jessica Chastains Figur am Mars vergessen statt des eifrigen Bastlers – es hätte vielleicht nach einer eindrücklicheren, raueren, dramatischeren Version dieser von ungebrochenen Optimismus getragenen Geschichte verlangt. Denn Matt Damons’ Haltung im Film, dieses „Jeder kann überleben, wenn er nur daran arbeitet“, wirkt so wie die marsianische Version des amerikanischen Jeder-kann-es-schaffen-Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Mythos. Diese Haltung macht sich der Film etwas zu sehr zu eigen.