Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Gunnar Landsgesell · 10. Aug 2018 · Film

Deine Juliet

Eine junge Schriftstellerin kurz nach dem Zweiten Weltkrieg findet ihre Liebe auf der britischen Insel Guernsey - und wird mit Verstrickungen aus der jüngsten Vergangenheit konfrontiert. "Deine Juliet" ist ein äußerst gepflegtes romantisches Drama, das mit exzellenten Schauspielern und ausgewählten Schauwerten aufwartet.

Der Zweite Weltkrieg ist eben zu Ende gegangen, als in London die junge, aufstrebende Autorin Juliet (Lily James) einen Verlobungsring überreicht bekommt. Der Mann, ein Angehöriger der US-Armee mit akkuratem Scheitel und kantigem Gesicht, kniet vor ihr nieder. Die Sirene des Schiffes, das Juliet gleich besteigen wird, pfeift dazu. Aber schon im nächsten Bild ist ihr Blick nicht mehr auf den Liebhaber gerichtet, sondern erwartungsfroh Richtung Guernsey. Kein gutes Zeichen für den Zurückbleibenden, wie man schon ahnt. Denn Juliet macht sich auf die Insel auf, um dort den Schweinebauern Dawsey (Michiel Huisman) zu treffen, der ihr nicht nur sensible Briefe schreibt, sondern sie auch einlädt, an dem Lesezirkel teilzunehmen, zu dem er sich mit Gleichgesinnten schon seit Kriegszeiten regelmäßig trifft.

Vom Totschweigen zur Nostalgie

„Deine Juliet“ ist ein historisches romantisches Drama, so altmodisch, wie es vielleicht nur noch die Briten zu inszenieren verstehen. Über eine unpassende Wortwahl zeigt man sich irritiert, die Gesellschaft ist so steif wie die Röcke, die die Damen und Herren tragen, und eine Frau als Schriftstellerin wird noch kurios betrachtet. Der britische Regisseur Mike Newell, der schon vor 40 Jahren mit Richard „Dornenvogel“ Chamberlain den Abenteuerfilm „Der Mann mit der eisernen Maske“ gedreht und Filme wie „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ folgen ließ, macht sich bei „Deine Juliet“ gewohnt geradlinig an die Arbeit. Keine Wendung, die in diesem Film nicht schon von langer Hand geplant ist, und kein Schrecken, der nicht mit sanfter Hand gezeichnet ist. Bei soviel Betulichkeit wirkt „Deine Juliet“ selbst wie ein Film, der aus der Zeit gefallen scheint. Darin kann man aber auch dessen Reiz sehen. Newell versteht sich darauf, seine langsam köchelnde Liebesgeschichte mit brisanten historischen Details zu verknüpfen. Der Film basiert auf dem Buch "The Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society", was soviel heißt wie "Der Guernsey Literaturzirkel und die Freunde des Kartoffelschalenkuchens". Guernsey ist eine britische Insel, auf der im Zweiten Weltkrieg die Nationalsozialisten ihr unmenschliches Regime errichtet haben. Zwangsarbeiter wurden für den Bunkerbau rekrutiert, und Bauern wurde etwa verboten, Schweine zu halten, um ihnen die Lebensgrundlage zu entziehen. Wenn nun Juliet, ohne es sich einzugestehen, dem sanftmütigen Landwirt Dawsey verfällt, tut sie das wie in einem Stationendrama: Jede Annäherung ist von einem Blick in die Vergangenheit der Insel und ihrer neuen Freunde begleitet. Dunkle Flecken, die Newell nach und nach wie in einer Detektivgeschichte zutage treten lässt. Das wirkt wie Geschichtsaufarbeitung mit einem Fleckenmittel: Am Ende ist alles hell und gelöst. Dann hat die Insel mit ihren malerischen Landschaften, ihren Steilküsten, Steinhäusern und grünen Wiesen ihre Unschuld zurück. Und der Kartoffelschalenkuchen schmeckt jetzt zwar auch nicht, aber er verbreitet erstmals ein Gefühl der Nostalgie. Wer sich auf die Künstlichkeit von "Deine Juliet" einlässt, kann das durchaus genießen.