Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Gunnar Landsgesell · 25. Nov 2016 · Film

Deepwater Horizon

Als die Deepwater Horizon sank: Die Ereignisse, die 2010 zu einer der größten ökologischen Katastrophen führten, werden in diesem Film nachgezeichnet. Die erdige Performance von Kurt Russell und Mark Wahlberg und ein Gespür für die dramatischen Potenziale der stählernen Konstruktion dieser Bohrinsel bringen einen unvermuteten Realismus in diesen Katastrophenfilm.

Das Verlangen nach Helden ist dieser Erzählung von Beginn an eingeschrieben. Als Sydney, die Tochter von Mike (Mark Wahlberg), einen Schulaufsatz schreiben soll, steht sie mit ihren Klassenkolleginnen in Konkurrenz um die spektakulärste väterliche Biographie. Schon bald darauf zischt eine dunkle Zuckerwasserfontäne aus einer Coke-Dose, in die Sydney (Stella Allen) ein Rohr eingeschlagen hat - so wie der Vater, wenn er auf der Bohrinsel nach Öl sucht. Schon bald sind auch im großen Stil Taten verlangt, als die Ölplattform, auf der Mike arbeitet, durch Überdruck explodiert und sogar das Meer in Flammen setzt. "Deepwater Horizon" greift eine der größten ökologischen Katastrophen der Geschichte auf. Im Jahr 2010 kam es auf der titelgebenden Bohrinsel 66 Kilometer südlich der Küste Louisianas zu einem Überdruck, bei dem 11 Menschen getötet wurden und wochenlang Milliarden Liter an Rohöl in den Golf von Mexiko strömten. Der Ölkonzern British Petrolium (BP) hatte auf eine Beschleunigung der Produktion gedrängt und das entstehende Risiko dabei in Kauf genommen.

Feuerbrünste und berstende Rohre

Peter Berg, ein Spezialist für hartes, bisweilen geistloses Actionkino ("Battleship"), inszeniert diese Ereignisse in einer verblüffend simplen Dramaturgie: Wir folgen Wahlberg, dem Chefelektriker der Deepwater Horizon, und Jimmy (Kurt Russell), der die Verantwortung über die Bohrinsel trägt. Berg gelingt es, die geradlinige, körperbetonte Performance der zwei Haudegen als Gegenpart zu den "unehrlichen" Absichten von BP zu setzen: allen voran John Malkovich, der die Interessen des Kapitals vertritt und das mit einer gehörigen Portion Arroganz. Zwischen den mächtigen Stahlkonstruktionen der Bohrinsel und in den schmucklosen Büroräumen entspinnt sich ein Schlagabtausch der Bohrinsel-Mitarbeiter und der BP-Leute, dessen schnödes technisches Vokabular mit einem Mal einen gewissen Realismus in die Bilder dieser Location bringt.
"Deepwater Horizon" fühlt sich, bevor das Desaster seinen Lauf nimmt, fast ein bisschen dokumentarisch an. Damit bereitet Berg das Gefühlsleben des Zusehers für das Kommende recht geschickt vor. Sobald die Insel zu wanken beginnt und das Öl in unheilvollen Blasen durch den Meeresboden dringt, ist man, anders als bei den minutiös durchkomponierten Blockbuster-Actionern von Peterson und Emmerich, immer noch bei den Charakteren und deren Schrecken. Dass die Feuerbrünste, die berstenden Rohre, die wie Granaten fliegenden Metall- und Glassplitter sich in einer logisch kaum nachvollziehbaren Weise präsentieren, spielt dabei keine Rolle. Längst ist da Berg schon bei jenen einfachen Arbeitern, die hier um ihr Leben kämpfen oder das der anderen.
Dabei erreicht "Deepwater Horizon" eine erstaunlich haptische Qualität. Und auch der millionenfache Tod von Vögeln und Meerestieren kündigt sich mit einem simplen Bild an, als ein ölverklebter Pelikan orientierungslos gegen die Schreibtische und Scheiben eines Büros schlägt. Die gleiche Effizienz findet sich auch in der Frage der Schuld: John Malkovich als großmauliger BP-Vertreter ist im Moment der Katastrophe ganz klein. Im Moment der größten Not, so will es der Fokus auf die Heroen dieser Geschichte, wird auch auf ihn nicht vergessen.