Uraufführung des Stückes „Stromberger oder Bilder von allem“ im Vorarlberger Landestheater (Foto: Anja Köhler)
Gunnar Landsgesell · 20. Jul 2017 · Film

Das unerwartete Glück der Familie Payan

Eine Vier-Generationen-Familie von herbem Charme: Bis auf Mutter Nicole, die sämtliche Verantwortung trägt, leben hier alle ihre Egoismen aus. Als Nicole mit 49 unerwartet schwanger wird, droht dem gut eingespielten Chaos ein Ende. Französische Komödie vollgepackt mit herbem Charme.

Wenn der Vater mit dem Auto hektisch die eigene Tochter anfährt und ihr auch noch die Schuld dafür gibt, ist man vorgewarnt. In dieser Familie läuft so ziemlich alles aus dem Ruder. „Das unerwartete Glück der Familie Payan“ lässt keine Gelegenheit aus, den schleichenden Ruin dieser Familie auf groteske Weise vorzuführen. Die Bilder sprechen für sich: Der 50-jährige Vater Jean-Pierre (Philippe Rebbot) trägt mit Vorliebe Trainingsjacke, aber nicht, weil er vor 30 Jahren als die große Hoffnung des Turnsports gegolten hat, sondern weil er seit Jahren aus Überzeugung arbeitslos bleibt. Das Enkelkind trägt einen rosa Strampler, und wenn dieser schmutzig ist, dann wird er einfach umgedreht. Die Großmutter Mamilette (Hélène Vincent) wird langsam senil und droht jetzt schon, sich „einzunässen“. Und die Tochter, nie um einen Spruch verlegen, wirft ihrer Mutter vor, eine „Scheiß-Mama“ zu sein. Dabei ist just die Mutter, Nicole (die französische Paradekomikerin Karin Viard) jene Figur, die das fragile Familienensemble zusammenhält. Das gehört zu den Perfidien dieser Erzählung, die gerade daraus ihren bissigen Humor bezieht. Als Nicole mit 49 schwanger wird, ist das der Anfang vom Ende einer hemmungslos dysfunktionalen Familie. Dass zu dieser Zeit der Sohn des Hauses – er arbeitet als Koch in einem U-Boot – gar nicht anwesend ist, darf durchaus als strategischer Vorteil in diesem Spiel gesehen werden.

Komik aus subalternen Schichten


Regisseurin Nadège Loiseau schöpft mit einem geradezu wahllos ausgewählten Chaos aus dem Vollen. Bis auf Nicole ist jeder in dieser Vier-Generationen-Familie ist ein fürchterlicher Schrulli, dessen Lebenssinn einzig daraus zu bestehen scheint, die anderen zu verstören. Zusammengestückelt aus peinlichen bis peinsamen Szenen belegt „Das unerwartete Glück“ zudem einmal mehr, dass mit subalternen Gesellschaftsschichten immer noch am leichtesten Schabernack zu treiben ist. Loiseau vergisst aber nicht darauf, das festzementierte Fundament dieser Familie und damit auch unser Entertainment brüchig werden zu lassen. Mit der Schwangerschaft Nicoles sollen nun erstmals alle Anderen Verantwortung in „Le petit locataire“ (Originaltitel) übernehmen. Flugs landet der Ehemann am Arbeitsplatz von Nicole: einer Autobahn-Mautstelle. Zwar werden noch alle Egoismen ausgelebt, was dem Film seine wohlfeilen bitteren Seiten verleiht, doch mit einem – vielleicht besseren – Neuanfang muss die Geschichte dieser Familie Payan logischerweise auch enden.