Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Gunnar Landsgesell · 09. Dez 2015 · Film

By the Sea

Ein Pflichttermin für Fans von Brangelina, aber auch sie werden hart geprüft: „By the Sea“ bietet zwei Stunden quälender Atmosphäre anstelle der Innenschau eines Paares, das sich nach 14 Ehejahren im Urlaub auf Malta nichts mehr zu sagen hat.

Auch wenn die zwei Protagonisten dieses Films Vanessa und Roland heißen, man kann sie kaum anders als die Hollywood-Stars Angelina Jolie und Brad Pitt denken. Das mag am bigger-than-life-Status von Brangelina liegen, aber auch an der dramaturgischen Armut dieses Films. „By the Sea“ ist ein Kammerspiel über ein Ehepaar, das sich nach 14 Jahren nichts mehr zu sagen hat. Daran ändert auch der Urlaub auf Malta nicht viel. Während Vanessa, die ehemalige Sängerin, nicht aus dem Bett kommt, säuft Roland, der Schriftsteller, in einem nahegelegenen Lokal. Durch ein Loch in der Wand beobachten die beiden ein junges Paar und deren sexuelle Aktivitäten. Der gemeinsame Voyeurismus wird zu einem Modus, der die Entfremdung vorübergehend lindert.

Zur Maske erstarrt


Nach zwei Regie-Arbeiten, die wenig geglückt den Bosnien-Krieg („In the Land of Blood and Honey“) und danach den Zweiten Weltkrieg („Unbroken“) thematisierten, hat Angelina Jolie sich nun die Paar-Beziehung als Kriegsschauplatz ausgesucht. „By the Sea“ ist in den Siebziger Jahren angesiedelt, offenbar als Hommage an den europäischen Autorenfilm. Jolie, die neben der Regie und der Hauptrolle auch das Drehbuch verantwortet, orientiert sich aber weniger an den existenziellen Zerrüttungen eines Ingmar Bergman oder an den produktiven Ambivalenzen des italienischen Kinos dieser Zeit, dazu fehlt es diesem geradezu selbstzweckhaft unglücklichen Paar an einer psychologischen Dimension und dem Film an einem größeren Blick. Ganz so, wie die wenig kontrastreiche, mono-graue Felsenkulisse von Malta es nahe legt, kommt hier nichts in Bewegung. Mit jeder neuen Szene zwischen Bett und Badewanne landen Jolie und Pitt doch wieder nur in einer quälerischen Stimmung, deren Ursache niemand zur Sprache bringt. 
In ihrer Performance erinnert Jolie ein wenig an die unglückliche Fee Maleficent, das Gesicht zur Maske erstarrt, der Körper ausgezehrt, die Mimik hinter großen Sonnenbrillen verborgen. Als es das Paar doch einmal zu einem Abendessen auf die Terrasse eines Restaurants schafft, ist das Unwohlbefinden der logische Begleiter. Ein Schwindelanfall beendet den Ausflug rasch. „By the Sea“ wirkt überambitioniert und unsicher zugleich, als bewußter Gegenentwurf zu flinken Hollywood-Dramaturgien taugt diese Geschichte einer großen Leere nur bedingt. Bemerkenswert, dass selbst die Entdeckung des Wandlochs und die sporadischen Begegnungen mit dem Paar von nebenan kaum eine Entwicklung erlauben. Für Bewegung sorgt immerhin Christian Berger, Hanekes Langzeit-Kameramann, dessen Bilder das Paar sanft umspülen und zuweilen einen Eindruck von Intimität vermitteln. Am Ende überrascht „By the Sea“ mit einer recht flachen Botschaft, wenn Roland seiner Frau mitteilt: Tiefer Schmerz lässt sich nicht verwinden, indem er auch auf andere übertragen wird. So bietet diese Verfilmung reichlich Platz, diesen Schmerz auszubreiten, ohne ihn zu bearbeiten.