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Gunnar Landsgesell · 07. Nov 2013 · Film

Blue Jasmine

Zurecht gelobt für ihre Darstellung kämpft sich Cate Blanchett tapfer durch die jüngste Tragikomödie von Woody Allen. Zentrale Figur ist darin eine Frau, die nach dem Verlust ihres Reichtums versucht, wieder Halt zu bekommen. "Blue Jasmine" ist einer von Allens besseren Filmen der letzten Zeit.

Nach Woody Allens letzten Filmen, die unangenehme Einblicke in dessen sexualisierte Wahrnehmung von Frauen boten, kündet „Blue Jasmine“ zwar von keiner Umpolung des fast 80-Jährigen, zeigt aber, dass dieser sich nun wieder auf das bewährte Feld der psychologischen Überzeichnung konzentriert. Cate Blanchett, in einer beeindruckenden Performance, tritt nunmehr als die Großstadtneurotikerin auf, aus der Meister Allen in ziemlich überdrehten emotionalen Zuständen spricht. Blanchett stolpert recht chaotisch in diesen Film und obwohl sie einen Ortswechsel von der Ostküste nach San Francisco vornimmt, hilft ihr das nicht wirklich, um „Blue Jasmine“ am Ende geläutert zu verlassen. Kein Wunder: Auch wenn der Film eine kleine Geschichte anbietet, um Blanchetts Zustand zu erklären, lässt sich der Allen’sche neurotische Charakter nicht einfach so abschütteln, er ist vielmehr das Kapital seiner Filme. Die kleine Geschichte, sie ist in knappen Rückblenden erzählt, geht so: Reiche Gattin (Alec Baldwin als skrupelloser Immo-Hai) und gealtertes It-Girl ist nach der Verhaftung ihres Mannes, die sie zudem aus Rache für Baldwins Daueraffären selbst verschuldet hat, nun ziemlich aufgeschmissen. Kein Geld, kein Luxusheim, keine Qualifikationen für Arbeit. (Ein misogyner Bodensatz inklusive der lustvoll inszenierten Peinlichkeiten, in die Allen seine Figur stürzt, lässt sich auch in diesem Film nicht verleugnen.) In dieser Situation kommt Jasmine auf ihre bis dahin abschätzig behandelte Schwester (als Working-Class-Girl mit Ansätzen von Mike-Leigh-Realismus: Sally Hawkins) zurück, bei der sie sich nun in San Francisco einquartiert. Der Rest sind einige Nervenschwächen, holprige Anbahnungsversuche und Beziehungszoff, bei dem die Proletarierin Hawkins sich von ihrer Schwester Blanchett abgrenzt, indem sie zu ihrem tendenziell gewalttätigen Freund steht.

Kunstfertig: Blanchett

Die Figur von Jasmine ist erkennbar an „Woman Under the Influence“ orientiert, wobei der abgekämpften Blanchett jenes soziale Umfeld und dessen Plausibilität fehlt, das Cassavetes mit Gina Rowlands für ihren wegweisenden Film erarbeitet hatten. Dass Blanchett einmal einen körperlichen Übergriff ihres neuen Arbeitgebers, ein Arzt, ohne dramaturgische Motivation abwehren muss, gehört offenbar zur Allen’schen Situationskomik. „Blue Jasmine“ vermag trotz dieser notorischen Misstöne auch zu unterhalten. Das hat zweifellos mit Cate Blanchett selbst zu tun, die das beinhart auf sie zugeschnittene Geschehen mit der Kunstfertigkeit ihres Metiers ausfüllt. Das liegt aber auch an der Zielsicherheit, mit der Allen den Zusammenprall zweier Milieus von High-Society und Arbeiterschicht satirisch zuspitzt. Und vor allem an der federleichten Inszenierung, deren dahinter stehende ungemeine Routine nicht spürbar wird. Wie drückt es Blanchett aus, als sie das vergleichsweise ärmliche Heim ihrer Schwester betritt: This flat has casual charme. In dieser Doppeldeutigkeit ließe sich das auch über „Blue Jasmine“ sagen.