Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Gunnar Landsgesell · 24. Mai 2018 · Film

Auf der Jagd - Wem gehört die Natur?

Im Wald trifft man nicht nur auf Wildtiere, sondern vor allem auf Interessenskonflikte zwischen Jägern und Förstern. Und auch der Wolf darf neuerdings nicht fehlen. Ein Dokumentarfilm, der viel mit den Jägern in den Wald blickt und von einem erstaunlich hoch reglementierten Raum erzählt. Auf einen grünen Zweig kommt man dabei eher nicht.

Ein Kommentar in Jägersprache: „Da vorne hat ein Schwein geklagt.“, raunt eine Frau mit Büchse, postiert am Hochstand. Das wird ihm auch nichts nützen, könnte man ironisch hinzufügen. Denn in diesem Film geht es um die Jagd. Der Dokumentarfilm „Auf der Jagd - Wem gehört die Natur?“ lockt mit einer an sich spannend klingenden Frage. Die Natur als allgemeiner Wert gehört an sich doch allen, sollte man meinen. Und auch wenn in diesem Film nicht wesentlich Neues zu erfahren ist, dann ist es doch ein interessanter Einblick, der hier vor allem in die Jägerwelt geworfen wird. Eines wird dabei sehr deutlich: Die Natur, in der wir uns hier bewegen – es handelt sich um eine von arte kofinanzierte Produktion, die in Deutschland entstand – ist ein hochreglementierter Raum.
Da werden Jungfichtenbestände auf Wildverbiss geprüft, um das jährliche Abschusssoll für die Jäger festzulegen. Da wird der Hirsch (wie auch anderes Wild) monatelang gefüttert, um die Schäden gering und die Jägerbeute hoch zu halten. Und es wird von Rotwildgebieten berichtet, die der Gesetzgeber festgelegt hat. Dort dürfen sich die Tiere aufhalten, sobald sie es verlassen, ist ihr Abschuss Weidmannspflicht. Und auch wenn sich die titelgebende Frage einmal mehr um den Konflikt zwischen den Interessen der Forstwirte und Jäger bewegt (Überschneidungen erlaubt), so ist es bezeichnend, dass die Regisseurin Alice Agneskirchner einen ganz anderen Anfang für ihren Film wählt. Der Wolf taucht hier als sinistrer Jäger aus dem Dickicht auf und schon kurz darauf zankt er sich mit einem Artgenossen um Beute. Agneskirchner nutzt geschickt eine emotional geführte Debatte und konstruiert eine zweite Partei, die unsere Ansprüche an die Natur konkurriert. Diese Ansprüche sind freilich so marginal, dass der Film die längste Zeit sein spektakuläres Medium vergisst und erst später wieder in Person einer Wolfsbeauftragten in Berlin-Brandenburg auf das scheue Tier zurückkommt. Überglücklich zeigt sie auf einem Laptop, wie ein Wolf in eine Fotofalle getappt ist, und seinen Schwanz zum Markieren hebt.

Öfter sieht man nix 

„Wem gehört die Natur?“ holt Landwirte, eine Wildbiologin, Forstwirte, vor allem aber Jäger vor die Kamera. Oft erweisen sie sich als dankbare Gäste. Der Jäger, der ein Wildschwein erschießt und dann beim Ausweiden sogleich genüsslich die blutigen Innereien mit Zubereitungstipps präsentiert, wirkt dabei recht unverstellt. Es sei keine Lust, Tiere zu töten, heißt es einmal im Film, aber eine Freude. Jagen heißt in diesem Film aber auch, mit den Jägern einfach in den Wald zu blicken. So philosophiert einmal ein Jäger auf seinem Stand: „Man sieht öfter nix als dass man was sieht.“ Es sind Momente wie diese, die Agneskirchner mit nüchternen Fakten verschränkt: In Deutschland gibt es 380.000 Jäger, davon 1.000 Berufsjäger. Dass dabei nicht jeder Schuss sitzt, lässt sich während einer Massenjagd erahnen, von der recht unmotiviert Schusssalven zu hören sind.
„Wem gehört die Natur?“ ist aber kein Film, der der Jagd grundsätzlich kritisch gegenübersteht. Er zeigt ein Gewerbe auf, das jenseits von Naturromantik ganz schnöde die ökonomischen Interessen aufzeigt. Da geht es um Wild, genannt „Stück“, das „entnommen“ werden muss, und um die Frage, wie Jäger und Forstwirte ihre Koexistenz bestreiten. Auf einen grünen Zweig kommt der Film dabei nicht. In einer recht unvermittelten Zwischenepisode wechselt Agneskirchner in die Wälder Kanadas, wo sie drei Frauen in Camouflage bei der Jagd begleitet. Sie sind Angehörige des First-Nation-Volkes der Algonquin. Der Einschub ist offensichtlich dazu da, um uns eine andere, naturnahe Sicht zu präsentieren. Eine der Frauen definiert „Jagdglück“, wenn sie erklärt: „Das ist keine Frage von Glück. Das Tier kommt zu dir, um dir sein Leben zu geben.“ Abschussquoten und Jäger-Halali versus spirituelle Einigkeit mit der Natur – kein ganz elegantes Manöver, aber einiges Interessantes lässt sich in dieser Jägergeschichte doch entdecken.