Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Gunnar Landsgesell · 06. Sep 2018 · Film

Alpha

Wie der Wolf zum Hund wurde - "Alpha" ist die Geschichte des Häuptlingssohnes Keda, der vor 20.000 Jahren von seiner Horde getrennt wird und sich einen Wolf als Beschützer dressiert. Unbedingt Neues darf man sich von deren Streifzügen aber nicht erwarten.

Der Wolf ist zurück, darüber wird in den Medien vor allem dann berichtet, wenn wieder ein Schaf gerissen wurde. Die Konkurrenz zwischen Mensch und Wolf in unseren naturnahen Lebensräumen ist ein interessantes Thema. In „Alpha“ verhält sich das ein bisschen anders, hier ist der Wolf dem Menschen ein – Hund. Das hat einerseits damit zu tun, dass die Handlung vor gut 20.000 Jahren spielt. Und zum anderen mit dem Häuptlingssohn Keda, der zwar schon Speerspitzen aus Stein basteln kann, aber bei der Büffeljagd zum Töten doch noch nicht bereit ist. Als er von seiner Horde getrennt wird, muss er sich allein durchschlagen, und zähmt sich einen Wolf, der ihm dabei hilft. Dass er ihn Alpha nennt, liegt ganz in der Logik dieses Films, bei dem es vor allem darum geht, ein Mann zu werden. Dass Alpha aber eine Wölfin ist, ist eine der wenigen Ironien dieser ansonsten recht humorlos auf Überlebenskampf getrimmten Erzählung.

Sinnsprüche und Männlichkeitsproben

Regisseur Albert Hughes zählte mit seinem Zwillingsbruder Allen mit Filmen wie „Menace II Society“ und „Dead Presidents“ Anfang der Neunziger Jahre zu den Hoffnungsträgern des afroamerikanischen Kinos. Mit Filmen wie „From Hell“ und „Broken City“ ist er einer härteren Gangart treu geblieben. In „Alpha“ wird nun auf zwei Weisen der nackte Existenzkampf geprobt: Man hört unzählige Befehle und Sinnsprüche, die der Häuptling verbreitet. Soll ein Tier getötet werden, heißt es: „Du nimmst ihm sein Leben, damit dein Stamm leben kann.“ Oder, ganz praktisch, für den weiteren Lebensweg: „Das Leben gehört nur den Stärksten, man bekommt es nicht geschenkt.“ Die Kulturleistung der Steinzeitmenschen erschöpft sich in „Alpha“ lange Zeit in martialischen Parolen. Da muss man durch, so wie der Häuptlingssohn Keda, der freilich die Stoiker schon antizipiert zu haben scheint. Ab dem Moment, als Keda auf sich gestellt ist, wechselt „Alpha“ in bekannte Muster von Filmen, die Mensch und Tier als freundliche, schließlich innige Notgemeinschaft beschreiben. Hier wird gemeinsam am Lagerfeuer gesessen, ein Hase verspeist oder Wasser aus Steinschüsseln geschlürft. Keda erinnert dabei an Wicki, der mangelnde Männlichkeit durch Ideenreichtum wettmacht und dem darwinistisch verbrämten Drehbuch fast ein Schnippchen schlägt. Nur dass für den jungen Steinzeitmenschen, der die Büffel nicht töten will, der Büffelmozarella noch nicht erfunden ist. Streckenweise wirkt „Alpha“ wie ein Abenteuerfilm aus der Frontier-Zeit: Irokesenschnitt, Bisons und Tribes, das alles sieht eigentlich mehr nach USA um 1800 aus als nach Europa. Gut möglich, dass hier vor allem auf den US-amerikanischen Markt hinproduziert wurde. Mit seinen oft in goldene Schimmer getauchten Landschaften, die sehr nach CGI wirken, den kahlen, konturlosen Bergen, aber auch dem Durchstreifen von endlosen Flächen fühlt sich „Alpha“ ein wenig wie aus einer Gamer-Perspektive an. Eine kreisende, sehr aktive Kamera, die manchmal wie aus dem All herabzublicken scheint (Kamera: Martin Gschlacht), verleiht dem auf sich gestellten Wolf und seinem Herrl dann wieder eine gewisse Belebung, wenn man gerade nicht weiter weiß. Die Welt zu ergründen kann sich manchmal dennoch ganz schön alt anfühlen.