Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Walter Gasperi · 14. Dez 2014 · Film

Weder Fisch noch Fleisch – Reinhold Bilgeris Verfilmung von Christian Mährs Krimi „Alles Fleisch ist Gras“

„Landkrimi“ heißt ein neues TV-Krimi-Format des ORF, das durch alle Bundesländer führen soll. Im Vorarlberger Beitrag greift ein Kommissar zur Selbstjustiz, als er seine Ohnmacht gegenüber dem allseits grassierenden Verbrechen erkennt. – Das könnte ja durchaus spannend sein und Einblicke in menschliche Abgründe bieten, doch Reinhold Bilgeri verzettelt sich einerseits in einer Überfülle an Handlung und Figuren und changiert andererseits unentschlossen zwischen ernstem Krimi und schwarzer Komödie.

Wenn der 90-minütige TV-Krimi mit Luftaufnahmen von Piz Buin und Bodensee beginnt, ist schon klar, dass es hier auch um Präsentation Vorarlbergs als Tourismusland geht, denn absolut nichts haben diese Bilder mit der Handlung zu tun. Mit 150.000 Euro – der laut Regeln höchsten möglichen Summe - hat folglich auch das Land Vorarlberg „Alles Fleisch ist Gras“ gefördert: Tourismuswerbung in Reinkultur, mit Filmförderung hat das wenig zu tun, denn filmisch vermag die Mähr-Verfilmung so wenig zu überzeugen wie zuletzt der ebenfalls vom Land geförderte unsägliche Krimi „Die Toten vom Bodensee“.

Stoff nicht im Griff

Das liegt nicht an der Sprache, bei der man zwar den nicht gloriosen, aber doch akzeptablen Kompromiss wählte, dass die Schauspieler eine Mischung aus leichtem Dialekt und Schriftsprache verwenden, sondern schon eher am Umstand, dass Regisseur Reinhold Bilgeri den Stoff kaum einmal in den Griff bekommt.
Schon die explosive Auftaktszene, mit der das Ende vorweggenommen wird, vermag nicht zu überzeugen. Denn statt den Zuschauer zu packen, indem man ihn mitten hinein in eine ausweglose Situation eines Protagonisten versetzt, bleibt diese Szene viel zu diffus. Gleichzeitig wirkt sie in der Folge spannungsschwächend, da man schon 15 bis 20 Minuten vor Ende weiß, dass der Film eben auf diese Szene hinauslaufen wird.

Oberfläche statt Tiefe

Das nächste Problem stellt sich ein, wenn Bilgeri zwischen viel zu vielen Personen und Handlungsmotiven hin und her schneidet, aber keine Figur und kaum ein Thema wirklich vertieft. Mit etwa drei Sätzen und zwei Szenen soll hier der Schritt des Kommissars zur Selbstjustiz motiviert werden statt die Abgründe dieser im Grunde ambivalenten Figur intensiv auszuloten. Tobias Moretti kann da nicht viel machen – er erhält wie alle anderen Schauspieler einfach weder Raum noch Zeit, um den Figuren wirklich Konturen zu verleihen, sodass man sich für sie interessieren könnte.
Die Frage ist natürlich auch, ob wirklich dieser Kommissar oder nicht vielleicht der Leiter der Kläranlage (Wolfgang Böck), der nach einem Unfall eine Leiche entsorgt und damit erpressbar wird, die Hauptfigur ist. Nicht nur bei diesen beiden Figuren mangelt es an klarer Fokussierung, schwerer wiegt schon, wie rasch hier die Ex-Frau oder Geliebte des Kommissars, eine unglaubwürdige junge Geliebte des Chefs der Kläranlage, zwei Drogendealer, ein Landesrat, ein unter dem Drogentod ihrer Tochter leidendes Ehepaar und ein Bauunternehmer auftauchen und dann wieder verschwinden.

Plump und grobschlächtig

Plump und grobschlächtig schlingert „Alles Fleisch ist Gras“ so dahin. Ausgesprochen harmlos und bloße Behauptung statt wirklich bissige Kritik bleiben auch die Spitzen gegen die Verflechtung von Politik, Wirtschaft und Exekutive. Aber immerhin muss man es Reinhold Bilgeri hoch anrechnen, dass er es schafft, trotz der Handlungs- und Personenfülle diesen Krimi halbwegs übersichtlich zu halten. Spannung kommt mit dem ständigen Personen- und Schauplatzwechsel, der immer wieder auch der Präsentation von attraktiven Vorarlberger Gegenden vom Lochauer Kaiserstrand bis zum Rheindamm dient, freilich kaum auf.

Fehlender Mut zur Groteske

Dessen war sich der Regisseur wohl auch bewusst und spart deshalb nicht mit humoristischen Einschüben, die allerdings einerseits auf plattem Niveau bleiben, andererseits aber auch kaum einmal wirklich forciert werden.
Gefallen an diesem Krimi findet man folglich auch erst dann, wenn er wirklich zur überzogenen schwarzen Komödie abzuheben scheint und Kommissar und TV-Moderator, der dann seltsamerweise gleichzeitig Journalist ist, sich verbünden und beschließen, quasi zur industriellen Entsorgung von kriminellen oder zumindest moralisch verwerflichen, aber legal nicht überführbaren Persönlichkeiten überzugehen. - Doch kurz nur währt die Freude an einer schwarzen Komödie, schon rudert Bilgeri wieder zurück und versucht wieder auf Ernst und Spannung zu setzen, die freilich nicht aufkommen will.

DVD-Vertrieb vor TV-Ausstrahlung

Seltsam ist auch, dass die DVD schon vor der TV-Ausstrahlung (27. Dezember) erschienen ist. Hier hofft man wohl vom Weihnachtsgeschäft zu profitieren. Wer aber als Geschenk noch eine DVD sucht, ist sicherlich mit anderen Titeln von Marc Cousins herausragender „The Story of Film“ bis zu Frank Capras bei StudioCanal neu erschienenem Klassiker „Ist das Leben nicht schön?“ oder der ebenfalls bei diesem Label erschienenen "Alec Guinness Collection" besser bedient.