Anna Hints‘ preisgekrönter Dokumentarfilm „Smoke Sauna Sisterhood“ ist derzeit in den Vorarlberger Kinos zu sehen.
Walter Gasperi · 05. Okt 2017 · Film

Aktuell in den Filmclubs (6.10. - 12.10. 2017)

Der Lindauer Club Vaudeville ruft mit dem Spielfilm "Nebel im August" die systematische Ermordung von Menschen mit Behinderung während der NS-Zeit in Erinnerung. In der Remise Bludenz steht im Rahmen der Leinwandlounge das ebenso bildmächtige wie bewegende Jugenddrama "A Monster Calls - Sieben Minuten nach Mitternacht" auf dem Programm.

Nebel im August: 200.000 Patienten, darunter 5000 Kinder, wurden zwischen 1939 und 1945 in deutschen „Heil- und Pflegeanstalten“ systematisch ermordet. Kai Wessel lässt den Zuschauer nach dem 2008 erschienenen Tatsachenroman von Robert Domes mit den Augen des 13-jährigen Erwin Lossa auf diese Barbarei blicken. Nach mehreren Heimaufenthalten wird dieser Junge 1942 wegen seines rebellischen Verhaltens und seiner jenischen Abstammung in eine süddeutsche „Heil- und Pflegeanstalt“ eingeliefert. Glaubt er es zunächst damit ganz gut getroffen zu haben, auch wenn er stets hofft, dass ihn sein Vater abholt, bekommt er zunehmend tieferen Einblick in die verbrecherischen Vorgänge.
Sehr zurückhaltend erzählt Wessel, konzentriert sich ganz auf das Heim, das der Film nur für zwei kurze Szenen verlässt. Sorgfältig arbeitet der deutsche Regisseur unterschiedliche Aspekte heraus, stellt einer Krankenschwester, die den Kindern mit einem Lächeln den tödlichen Himbeersaft verabreicht, eine Nonne (Fritzi Haberland) gegenüber, die Widerstand zu leisten beginnt, aber bei der Amtskirche keine Unterstützung findet.
Gegenpart zum von Ivo Pietzcker eindrücklich gespielten Ernst ist aber vor allem der Arzt Dr. Veithausen (Sebastian Koch). Freundlich und hilfsbereit gibt er sich den Kindern gegenüber, doch hinter der Fassade verbirgt sich ein von der Wissenschaftlichkeit der Rassenideologie überzeugter Nazi, der den Tod als Erlösung propagiert und auch eine perfide Methode zur Tötung seiner Patienten entwickelt. Das Bemühen schulbuchmäßig Einblick in das System zu bieten, beeinträchtigt zwar die erzählerische Kraft, doch ein bewegender und in der Aufarbeitung eines lange verdrängten Aspekts der NS-Barbarei wichtiger Film ist dies dennoch. 
Club Vaudeville, Lindau: Di 10.10., 20 Uhr


A Monster Calls – Sieben Minuten nach Mitternacht:
Mitten hinein in einen Alptraum des zwölfjährigen Conor (Lewis MacDougall) wirft der Spanier Juan Antonio Bayona den Zuschauer in seiner Verfilmung von Patrick Ness´ Jugendroman, der wiederum auf einer Idee der 2007 an Brustkrebs verstorbenen irisch-britischen Autorin Siobhan Dowd beruht: Die Kirche vor Conors Landhaus stürzt ein, der Friedhof wird von einem Abgrund verschlungen und in diesen droht auch seine Mutter zu stürzen. Zwar kann der Junge noch ihre Hand ergreifen, doch seine Kraft reicht nicht aus, sodass er sie schließlich verzweifelt loslassen muss.
Ausgelöst wird dieser Alptraum durch Conors Alltag, denn schwer leidet der Junge unter der Krebserkrankung seiner Mutter (Felicity Jones). Während sie todkrank in ihrem Bett liegt, muss er sein Leben selbst organisieren, sodass der Umzug in die Stadt zur ungeliebten Großmutter (Sigourney Weaver) droht.
Zunehmend flüchtet der Junge deshalb aus dem quälenden Alltag in eine Fantasiewelt und in drei Geschichten von überwältigender Bildmacht lehrt ihn ein Monster sich seinen eigenen Ängsten, seiner Wut und seinen Aggressionen zu stellen…
Furios verknüpft Bayona durchgängig Conors persönliche Situation mit diesen Märchen und erzählt so in seinem kühnen Mix weit aufregender und tiefschürfender als rein realistische Dramen von den Verwundungen einer kindlichen Seele, macht aber auch deutlich, welches Ventil die Fantasie und Märchen sein können, um traumatische Erfahrungen zu verarbeiten und Lösungen für die Realität zu finden.
Leinwandlounge in der Remise Bludenz: Mi 11.10., 19 Uhr